(Bilder: Keystone/Unsplash - Montage: Telebasel)
Basel

Staatsanwältin fordert über 17 Jahre Gefängnis für Drogenbaron

Ein mutmasslicher ranghoher kolumbianischer Drogendealer muss sich ab Montag vor dem Basler Strafgericht verantworten. Verfolgen Sie den Prozess hier im Ticker.
So lief der erste Verhandlungstag im "Chapo Basilea"-Prozess

Es ist einer der grössten Drogenprozesse in der Geschichte der Basler Justiz. Seit Montag muss sich ein 47-jähriger, kolumbianisch-spanischer Doppelbürger vor dem Strafgericht Basel-Stadt verantworten. Der Vorwurf: Er soll ein ranghohes Mitglied des international operierenden Kartells «Clan del Golfo» gewesen sein, das von Kolumbien aus tonnenweise Kokain nach Europa schmuggelte.

Um das Drogengeschäft zu tarnen, soll der Angeklagte eine Früchte-Exportfirma gegründet haben. Er operierte laut der Anklage von Basel aus und organisierte über verschlüsselte Kommunikation in einem Messenger-Dienst den Kokainhandel. Der Beschuldigte soll laut der Anklage allein zwischen Januar und August 2020 am Transport von rund neun Tonnen Kokain im Wert von 609 Millionen Franken beteiligt gewesen sein. Auch in Basel selbst soll er Kokain gehandelt haben. Zudem wird dem Kolumbianer zur Last gelegt, erwirtschaftetes Geld gewaschen zu haben.

Der Angeklagte sieht sich als Opfer. Er gibt zu, Kokain konsumiert zu haben und für einen Freund in seiner Wohnung im Kleinbasel gut 200 Gramm Kokain gelagert zu haben. Den Rest der Anschuldigungen streitet er ab. Immer wieder beteuerte der Angeklagte am ersten Verhandlungstag: «Ich verkaufe kein Kokain». Auch den Vorwurf der Geldwäsche wies er zurück. Er habe zwar Geld an seine Familie in Kolumbien und Spanien überwiesen. Aber es habe sich um kleinere Beträge gehandelt, um dort eine Fruchthandelsfirma und eine Ananas-Plantage aufzubauen.

Auch ein Smartphone mit der verschlüsselten Chat-Kommunikation über den Messenger-Dienst gehöre nicht ihm, sagte der Beschuldigte vor Gericht aus, sondern einem Freund. Das Handy wurde in der Wohnung des Angeklagten sichergestellt und ist ein entscheidendes Beweismittel im Prozess.

Am Ende des ersten Verhandlungstags stehen die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung. Während die Staatsanwältin die Schuld des Angeklagten in allen Punkten als bewiesen sieht, stellen die beiden Verteidiger vieles infrage. Insbesondere die Daten der entschlüsselten Chats, über die der Angeklagte das Drogengeschäft abgewickelt haben soll, sehen sie nicht als gültiges Beweismittel an. Es könne nicht bewiesen werden, dass die Chat-Nachrichten an den Beschuldigten gingen respektive von diesem verfasst wurden. Ebenso wenig sei klar, wer die verschlüsselten Daten auswertete und ob diese im Laufe der Strafverfolgung verändert wurden. Die Verteidiger monierten auch, keine Einsicht in die Rohdaten der Chats erhalten zu haben.

Die Staatsanwaltschaft fordert für den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 17 Jahren und drei Monaten sowie eine hohe Geldbusse und einen Landesverweis von 15 Jahren. Die Verteidigung will eine bedingte Freiheitsstrafe von 22 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie eine Busse von 300 Franken wegen Eigenkonsums von Kokain und geringfügiger Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Das Gericht wird sein Urteil am Freitag verkünden.

Verhandlungstag beendet

Die Gerichtspräsidentin schliesst die Verhandlung. Das fünfköpfige Richtergremium wird sich jetzt zur Beratung zurückziehen. Entgegen der angesetzten Prozessdauer von dreieinhalb Tagen sind Beweisführung und Plädoyers jetzt bereits abgeschlossen. Statt zwei weiteren Verhandlungstagen geht es am Freitag um 10 Uhr direkt mit der Urteilsverkündung weiter.

Angeklagter: "Ich hoffe auf eine zweite Chance in der Schweiz"

Nach den Plädoyers darf der Angeklagte noch letzte Worte an das Gericht sprechen. «Ich hoffe auf eine zweite Chance, um zu beweisen, dass ich zum Arbeiten in die Schweiz gekommen bin», sagt er vor dem versammelten Richtergremium. Wie schon während der ganzen Gerichtsverhandlung fasst sich der Beschuldigte kurz.

Verteidigung: Man kann nicht ein hohes Tier und Kleindealer zugleich sein

Der zweite Verteidiger des Angeklagten spricht. Auch er argumentiert in seinem Plädoyer, dass die entschlüsselten Chat-Protokolle auf dem Smartphone nicht verwertbar seien. Er gibt nochmal zu bedenken, dass keine DNA-Spuren des Beschuldigten auf dem Handy nachgewiesen wurden. Zudem sei das Handy an sich «kein Beweis, dass man ein Grosser ist». Die Chats liessen keine Rückschlüsse auf die mögliche Position des Beschuldigten im Drogenkartell zu. Erwiesen sei, dass sein Mandant Kokain konsumiert und etwas gelagert habe. Der Rest der Anschuldigungen sei aufgrund der fehlenden Nachvollziehbarkeit der mutmasslichen Beweise aber widersprüchlich.

Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft sieht der Verteidiger keinen Zusammenhang zwischen einem Drogenbaron, der zugleich einen ärmlichen Lebensstil hat. Vielmehr sieht er es als Widerspruch, wenn ein mutmasslich ranghohes Mitglied in einem international tätigen Drogenkartell zugleich Geschäfte an der Front abwickle und als vermeintliche Tarnung Arbeitslosengeld und Sozialhilfe beziehe. Ein hohes Tier und zugleich ein Kleindealer sein – dies entspreche nicht den Gesetzmässigkeiten in einer solchen Drogenbande. Zudem entspreche Kokain mit einem Reinheitsgrad von 30 Prozent bei Weitem nicht dem, was von südamerikanischen Kartellen gehandelt werde.

Der zweite Verteidiger plädiert auf 22 Monate bedingte Freiheitsstrafe wegen geringfügiger Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz und eine Busse wegen Eigenkonsums. In den anderen Anklagepunkten solle der Beschuldigte freigesprochen werden. Zudem fordert der Verteidiger, dass sein Mandant für die bislang abgesessene Haft finanziell entschädigt werde.

Jetzt kommt das Plädoyer der Verteidigung

Der amtliche Verteidiger des Beschuldigten erhält das Wort. Zu Beginn seines Plädoyers kommt der Verteidiger auf den Kokain-Konsum seines Mandanten zu sprechen. Dieser gebe zu, Kokain zu konsumieren, ja. Aber er sei kein internationaler Kokainhändler.

Der Verteidiger stellt vieles infrage. Vor allem werfe die Entschlüsselung der Daten auf dem Smartphone viele Fragen auf. Das Smartphone gehöre nicht dem Beschuldigten. Es müsse also bei jeder Nachricht, die für eine Verurteilung seines Mandanten sorgen könnte, bewiesen werden, dass sie von seinem Mandanten geschrieben wurde, argumentiert der Verteidiger. Und das könne die Staatsanwaltschaft nicht. Ganz nach dem Prinzip: Man beweise die Schuld des Angeklagten.

Weiter betont der Verteidiger, dass nicht klar sei, wie die Chat-Daten erhoben wurde, da es sich ja um verschlüsselte Daten handelt. Man wisse nicht einmal, welches Land die Daten erhoben hat. «War vielleicht ein Geheimdienst involviert?», fragt die Verteidigung. «Wissen Sie, auf Basis welchen Gesetzes die Daten erhoben worden sind?», fragt der Verteidiger das Gericht weiter und spricht damit an, dass gewisse Praktiken der Strafverfolgung im Ausland in der Schweiz gar nicht erlaubt seien. Kurzum: Die «Beweiskette» sei nicht nachvollziehbar und die Beweise somit nicht verwertbar.

Für den Angeklagten stehen 17 Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe auf dem Spiel. «Dann muss die Beweiskette nicht nur wasserdicht, sondern kugelsicher sein», sagt der Verteidiger und blickt die Hauptrichterin und die Staatsanwältin an.

Der amtliche Verteidiger beantragt für den Angeklagten eine bedingte Freiheitsstrafe von 22 Monaten wegen Eigenkonsums von Kokain und geringfügiger Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz. Sein Mandant habe den Kokainkonsum zugegeben und die 22 Monate Freiheitsstrafe würden der Haftdauer entsprechen, die der Mandant bereits abgesessen habe, argumentiert der Verteidiger.

Staatsanwaltschaft will 17 Jahre und 3 Monate Gefängnis für "Chapo Basilea"

Die Staatsanwältin schliesst ihr Plädoyer mit der Forderung des Strafmasses: Sie will den mutmasslichen Drogenbaron 17 Jahre und drei Monate hinter Gitter bringen. Dazu beantragt sie eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 30 Franken sowie 300 Franken Busse für den zugegebenen Kokainkonsum sowie einen Landesverweis in der Höchstdauer von 15 Jahren.

Dieses Strafmass fordert die Staatsanwältin

Die Staatsanwältin sieht alle Anklagepunkte gegeben. Der Beschuldigte zeige «keine Einsicht und keine echte Reue» und habe nicht mit den Ermittlungsbehörden kooperiert. Er habe beim Drogenhandel eine «aufgebaute Routine an den Tag gelegt». Ebenfalls schwer lastet die Staatsanwältin dem Beschuldigten seine Bandentätigkeit an. Mit dem Kartell «Clan del Golfo» habe er international tonnenweise Kokain vertrieben und verkauft. Am Ende sei der Angeklagte ein ranghohes Mitglied in der organisierten Bande gewesen.

Sein unauffälliger Lebensstil und sein bescheidenes Verhalten – der Beschuldigte gab in der Befragungen immer wieder an, in ärmlichen Verhältnissen zu leben – stünden nicht im Widerspruch zum Dasein als ranghohes Mitglied eines Drogenkartells. Im Gegenteil: Es sei typisch. Der Beschuldigte habe sich unauffällig verhalten und «Reichtum wird nicht zur Schau gestellt», so die Staatsanwältin.

Entschlüsselung von Chat-Nachrichten führte zum Beschuldigten

Die Strafverfolgungsbehörden kamen dem beschuldigten 47-jährigen Kolumbianer auf die Schliche, nachdem sie die Kommunikation der verschlüsselten Messenger-App Sky ECC entschlüsselt hatten. Die Schweizer Behörden erhielten die belastenden Daten von ausländischen Strafverfolgungsbehörden. Die Entschlüsselung dieser App «hat eine neue Ära eingeläutet», so die Staatsanwältin. Darin involviert seien französische, niederländische und belgische Behörden gewesen. Die Entschlüsselung der Chats habe zu zahlreichen Razzien und Verhaftungen geführt. Während es im Ausland schon Verurteilungen gegeben habe, sei es in der Schweiz der erste Gerichtsfall dieser Art.

Die Staatsanwältin räumt ein, dass auf dem sichergestellten Smartphone mit den verschlüsselten Kommunikationsdaten keine DNA-Spuren des Angeklagten festgestellt worden seien. Allerdings sei das Gerät in dessen Wohnung gefunden worden. Dass das Handy dem Beschuldigten nicht gehöre, sondern einem Freund, glaubt die Staatsanwältin nicht. Sie könne sich schlichtweg nicht vorstellen, dass ein Freund ein Smartphone mit solch brisantem und belastetem Material einfach in einer Wohnung zurücklasse und die Schweiz verlasse. Die Angaben des Angeklagten seien «an den Haaren herbeigezogen».

Angeklagter hört ruhig zu

Der Beschuldigte sitzt ruhig da und lässt das umfassende Plädoyer der Staatsanwältin über sich ergehen. Da er spanischsprachig ist, kann er ihre Erläuterungen nicht verstehen. Er sitzt zurückgelehnt mit müdem Blick und verschränkten Armen da.

Staatsanwältin hält Plädoyer

Nach der Mittagspause hält die Staatsanwältin ihr Plädoyer. «Dieser Fall sprengt den üblichen Rahmen», sagt sie zu Beginn. Sie nimmt dem Angeklagten seine Unschuldsbeteuerungen nicht ab. Vielmehr ist sie der Ansicht, dass das Beweisverfahren vom Vormittag «keine neuen Erkenntnisse» hervorgebracht habe. Laut der Staatsanwältin gibt es keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten.

Der Angeklagte wurde am 7. April 2021 nahe seiner Wohnung mit rund 280 Gramm sowie Streckmitteln in der Tasche festgenommen. Dies nach Hinweisen aus der Bevölkerung, dass der Kolumbianer Drogen verkaufe.

Die Staatsanwältin rollt in ihrem Plädoyer die Befragungen des Angeklagten in der ersten Einvernahme, im Laufe der Untersuchungshaft sowie nun vor Gericht auf und spricht rückblickend von widersprüchlichen Aussagen des Beschuldigten. Gerade die Aussagen, die der Beschuldigte in Bezug auf die Beziehung zu seinem Freund machte, für den er angeblich die besagten 280 Gramm Kokain lediglich aufbewahrt habe, sind laut der Staatsanwältin nicht schlüssig. Sie bezeichnet die Aussagen des Angeklagten als «hanebüchen».

Der Angeklagte gab an, das Bargeld mit dem Früchtehandel verdient zu haben. Auch das nimmt ihm die Staatsanwaltschaft nicht ab. Diese Behauptungen des Beschuldigten seien schlichtweg absurd.

Mittagspause

Die Gerichtspräsidentin schliesst das Beweisverfahren. Der Angeklagte antwortete durchs Band sehr knapp und stritt praktisch alle Vorwürfe gegen sich ab. Die Verhandlung wird für eine Mittagspause bis 14 Uhr unterbrochen.

"Ich verkaufe kein Kokain!"

Die Richterin konfrontiert den Angeklagten mit den Namen mehrerer mutmasslicher Komplizen, mit denen er den Kokainhandel abgewickelt haben soll. Auf die Namen angesprochen, antwortet der Beschuldigte erneut lediglich: «Ich verkaufe kein Kokain!».

"Schauen Sie meine Buchhaltung an"

Der Angeklagte fügt an, dass das Gericht seine Buchhaltung anschauen sollen. Die Bücher liegen in seiner Wohnung. Dort seien alle seine Geschäfte nachvollziehbar aufgeführt.

Fragen zum Früchtehandel

Der Angeklagte betrieb zwei Firmen zum Früchte-Export. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, diese Firmen zur Tarnung des Kokainhandels genutzt zu haben.

Dazu stellt das Gericht dem Angeklagten einige Fragen. Immer wieder betont er, dass er ehrlichen Früchtehandel betrieb und er nichts mit Drogengeschäften zu tun habe. Das Richtergremium ist kritisch, fragt nach, was er denn getan habe, als er noch keine Ernte hatte. Dann habe er Früchte gehandelt, antwortet der Angeklagte. «Es dauert zwei bis drei Jahre, bis Ananas erntereif sind», sagt eine Richterin in Richtung des Angeklagten. «Wieso haben Sie keine Fruchtsorten angepflanzt, die schneller reifen?» Der Angeklagte entgegnet knapp, dass Ananas innert rund eines Jahres erntereif seien.

Handy mit brisanten Daten gefunden

In der Wohnung des Beschuldigten wurde ein Smartphone mit Chat-Protokollen gefunden, welche die Beteiligung des Angeklagten am Kokainhandel und seinen Aufstieg innerhalb des kolumbianischen Kartells beweisen sollen. Die Richterin fragt den Beschuldigten, was er dazu sage. Das Telefon gehöre nicht ihm, antwortet er. Es gehöre einem Freund. «Er hat gesagt, es funktioniert nicht.» Daraufhin will die Richterin wissen, wieso er das kaputte Smartphone denn nicht entsorgt habe. «Das weiss ich nicht», antwortet er.

Das besagte Smartphone ist in der Beweisführung entscheidend. Denn darauf ist laut der Anklage der Pin-Code für einen verschlüsselten Chat-Dienst gespeichert, über den die Kartellmitglieder miteinander kommunizierten.

Der Angeklagte fasst sich generell sehr kurz und wortkarg.

Ein ranghohes Kartellmitglied?

Jetzt will die Richterin vom Angeklagten wissen, ob es stimme, dass er ein ranghohes Mitglied des kolumbianischen Drogenkartells gewesen ist und acht bis neun Tonnen Kokain international gehandelt hat. Der Beschuldigte sagt lediglich: «Das ist nicht wahr».

"Ich wurde von meinem Freund benutzt"

Jetzt kommt die Hauptrichterin zu den Vorwürfen der Geldwäscherei, deren der Kolumbianer ebenfalls angeklagt ist. Sie befragt den Angeklagten zu hohen Geldbeträgen von einer halben Million Franken, die er nach Kolumbien und Spanien überwiesen habe. Sie will wissen, für was dieses Geld gedacht war und wo er dieses her habe.

Der Angeklagte sagt aus, das Geld an seine Familie in Kolumbien für den Früchtehandel überwiesen zu haben. Er bestreitet, Geld mit Drogengeschäften verdient und dieses gewaschen zu haben. Der Angeklagte beteuert erneut seine Unschuld. Das Geld stamme von seinem Freund, der Kokain in seiner Wohnung verarbeitet habe. Dieser habe eine Arbeit, bei der er viel Geld verdiene. Er verkaufe manchmal auch Früchte. «Ich wurde von meinem Freund benutzt», fügt der Beschuldigte an.

280 Gramm Kokain gelagert

Die Richterin konfrontiert den Angeklagten mit den vorgeworfenen Straftaten – unter anderem Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz. Der Angeklagte sagt, dass einzig einer der Vorwürfe wahr sei: «Ich habe 280 Gramm Kokain für einen Freund gelagert». Ansonsten sei er unschuldig. Für die Lagerung habe ihn der Freund mit Kokain bezahlt, denn er konsumiere solches.

Er habe niemals Kokain verkauft, beteuert der 47-Jährige vor der Richterin. Diese fragt nach, will wissen, wieso denn in seiner Wohnung zahlreiche Utensilien wie eine digitale Waage und Besteck mit Spuren von Kokain gefunden wurden. Sein Freund habe dort Kokain abgepackt, aber er habe mit dem Verkauf nichts zu tun gehabt. «Ich habe die Wohnung jeweils verlassen und ihm gesagt, dass ich damit nichts zu tun haben will», so der Angeklagte. Warum sein Kumpel das Kokain ausgerechnet in seiner Wohnung verarbeitete, kann er nicht beantworten. Er sagt lediglich: «Ich verkaufe kein Kokain». Der Angeklagte gibt aber zu, beim Abpacken des Kokains mitgeholfen zu haben.

Angeklagter verbirgt sein Gesicht

Nach einer kurzen Pause wird der Prozess fortgesetzt. Beim Betreten und Verlassen des Gerichtssaals zieht sich der Angeklagte jeweils eine Kapuze über den Kopf und senkt diesen, damit man sein Gesicht nicht sieht. Er trägt eine schwarze Windjacke, Jeans und weisse Turnschuhe.

"Ich bin unschuldig"

Der Angeklagte sagt vor Gericht aus, dass er unschuldig sei und das beweisen werde. Bei ihm zu Hause wurden 200 Gramm Kokain gefunden. «Sie gehören einem Freund», sagt er. Wegen der gefundenen Drogen sitze er nun schon seit 22 Monaten im Gefängnis. «Es fühlt sich an wie mehrere Jahre, weil ich zuvor noch nie verhaftet wurde.» In der Stimme des Angeklagten schwingt Verzweiflung mit.

Der Angeklagte wird zu seiner Person befragt

Die Hauptrichterin beginnt jetzt mit der Befragung des mutmasslichen Drogenbarons.

Der 47-jährige kolumbianisch-spanische Doppelbürger wanderte 2001 von Kolumbien nach Spanien aus, um zu arbeiten. 2012 ist er aus Spanien in die Schweiz gekommen. Er hat eine Ausbildung im Bauwesen und suchte in der Schweiz nach Arbeit auf dem Bau, da die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Spanien sehr schlecht gewesen sei. Er habe seither hierzulande bei «drei oder vier» Baufirmen gearbeitet.

Der Angeklagte ist geschieden, hat nach eigenen Angaben aber seit ungefähr vier Jahren eine Freundin. Er sitzt zurzeit in Untersuchungshaft. Er habe vom Gefängnis aus ab und zu mit seiner Freundin telefoniert, habe aber seit rund einem Monat keinen Kontakt mehr mit ihr. Deshalb wisse er auch nicht, ob sie sich in Spanien oder in der Schweiz aufhalte.

Nebst seiner Arbeit auf dem Bau habe er mit Früchten und Schmuck gehandelt, so der Angeklagte. Zudem habe er mit seiner Familie in Kolumbien begonnen, Ananas anzubauen. Seine sieben Geschwister leben in Kolumbien oder Spanien. Zudem hat er einen Sohn, der in Spanien lebe.

In der Schweiz habe er pro Monat «etwa 3’500 Franken pro Monat» verdient, gibt der Angeklagte an. Er habe vor sieben oder acht Jahren Sozialhilfe bezogen. Die Hauptrichterin fragt ihn, was seine Pläne sind, wenn er aus dem Gefängnis rauskomme. Dann wolle er weiterarbeiten, so der Beschuldigte.

Verhandlung wird fortgesetzt

Die Gerichtspräsidentin erklärt, dass der Prozess fortgeführt wird. Das Richtergremium geht davon aus, dass die Daten der Chat-Protokolle bei der Auswertung nicht zu Lasten des Angeklagten verfälscht wurden. Die Verteidigung hat diese Bedenken geäussert.

Die Verteidigung wirft dem Gericht vor, erst drei Tage vor Prozessbeginn die Rohdaten der Chat-Protokolle, an denen der Angeklagte beteiligt gewesen sein soll, erhalten zu haben. Die Hauptrichterin bestätigt dies. Sie argumentiert aber, dass die Rohdaten der Chat-Protokolle im Laufe der Gerichtsverhandlung ebenfalls angeschaut würden und der Prozess deshalb fortgesetzt werden könne. Sollte es im Laufe des Prozesses zu Unklarheiten kommen, könne er zu einem späteren Zeitpunkt noch unterbrochen werden, so die Richterin.

Wird der Prozess unterbrochen?

Das fünfköpfige Richtergremium zieht sich nun zur Beratung zurück. Es muss entscheiden, ob sie dem Antrag der Verteidigung stattgibt und den Drogenprozess unterbricht.

Verteidigung will Verhandlung aussetzen

Der Prozess beginnt mit einem Knall: Die beiden Verteidiger des Angeklagten beantragen dem Gericht, die Verhandlung auszusetzen. Der Grund: Die Verteidigung macht geltend, erst kurz vor Prozessbeginn Einsicht in die Rohdaten der Chat-Protokolle des Angeklagten erhalten zu haben. Diese sind für die Verhandlung zentral. Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage gegen den mutmasslichen Drogenbaron auf Chat-Protokolle, welche die Abwicklung der Drogengeschäfte beweisen sollen.

Der Angeklagte soll von verschiedenen Smartphones aus – teils mit verschlüsselter Kommunikation – den Vertrieb und Verkauf von Kokain organisiert haben.

Strafverfolgungsbehörden werteten die Daten der beschlagnahmten Smartphones aus und stellten die Daten der Basler Staatsanwaltschaft zu. Die Verteidigung des Angeklagten beschwert sich nun vor Gericht, die Daten erst in einem zweiten Schritt erhalten zu haben. Zudem habe die Staatsanwaltschaft bereits eine Vorauswahl getroffen, welche Daten für die Beweislage relevant sind und welche nicht.

Die Verteidigung sagt zudem vor Gericht, dass nicht transparent sei, woher die Daten stammen. Welche internationalen Strafverfolgungsbehörden haben diese ausgewertet, fragt einer der beiden Verteidiger. Es sei lediglich bekannt, dass französische Behörden die Daten der Basler Staatsanwaltschaft zustellten. Der Verteidiger stellt auch infrage, dass die Smartphones, auf denen die Chat-Protokolle gefunden wurden, wirklich dem Angeklagten gehörten und die Nachrichten von diesem geschrieben wurden.

Alles in allem sei somit «die Beweiskette nicht gewährleistet», argumentiert die Verteidigung. Sie beantragt deshalb, die Verhandlung zu unterbrechen.

Der Prozess beginnt

Die Verhandlung am Strafgericht beginnt. Der Angeklagte sitzt vor einer fünfköpfigen Richterkammer. Die Gerichtspräsidentin nimmt die Personalien des Beschuldigten auf, eine Dolmetscherin übersetzt auf Spanisch für den Angeklagten.

Die Sicherheitsvorkehrungen sind für einen Prozess dieser Grössenordnung eher klein. Zwei Polizisten sind im Gerichtssaal anwesend. Das Medieninteresse ist hingegen gross: Mehrere JournalistInnen verfolgen den Prozess.

Der Angeklagte sitzt mit erschöpfter Mine da.

Angeklagter in Fussfesseln eingetroffen

Der Angeklagte ist am Montagmorgen kurz nach 8:15 Uhr im Strafgericht Basel-Stadt eingetroffen. Der 47-jährige kolumbianisch-spanische Doppelbürger trägt Fussfesseln. Die Verhandlung beginnt in Kürze.

So lange dauert der Prozess

Die Verhandlung am Basler Strafgericht ist auf dreieinhalb Tage angesetzt. Das Urteil soll am Freitag verkündet werden.

Ein filmreifer Drogenfall

Die Basler Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, im grossen Stil Drogen geschmuggelt und verkauft zu haben. Der kolumbianisch-spanische Doppelbürger soll das Kokain von Kolumbien aus per Schiff oder Flugzeug nach Europa, Afrika und Australien gebracht haben. Laut der Anklageschrift war der Mann am Vertrieb von acht bis neun Tonnen der Droge beteiligt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Beschuldigte in der Stadt Basel über 115 Kilogramm Kokain verkauft und damit rund acht Millionen Franken verdient hat.

Der Kolumbianer gründete eine Früchte-Exportfirma, über die er die Drogen in Ananas, Bananen und Litschis versteckt nach Europa verfrachtete. Das Kokain verpackte der Beschuldigte zusammen mit Komplizen in zwei gemieteten Wohnungen an der Sandgrubenstrasse in Basel. Dort wurde es in Einzelportionen für den Endkonsum fertig gemacht.

Der 47-Jährige leitete laut der Anklageschrift seit 2017 das Kokaingeschäft in Basel. Er soll Teil des «Clan del Golfo», dem mächtigsten Verbrechersyndikat aus Kolumbien, gewesen sein. Durch seine Vernetzung innerhalb des Kartells und sein Engagement in vielen Bereichen des Drogenhandels stieg er in der Hierarchie weit nach oben.

Der Telebasel News-Beitrag vom 15. Januar 2023.

Eine ausführliche Vorschau auf den Prozess lesen Sie hier.

Das wird dem Angeklagten vorgeworfen

Auf der Anklagebank des Strafgerichts Basel-Stadt sitzt ab Montag ein Mitglied des kolumbianischen Drogenkartells. Der 47-jährige Mann lebt seit 2012 in Basel und wird der Verbrechen nach Betäubungsmittelgesetz (grosse Gesundheitsgefährdung, Bandenmässigkeit und Gewerbsmässigkeit), Geldwäscherei und mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes beschuldigt.

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