Nach der Aufhebung der rigorosen Corona-Massnahmen in China stiegen die Fallzahlen explosionsartig an. Gesundheitsexperten der 27 EU-Staaten hatten sich am Mittwochabend zwar nicht auf eine Testpflicht für Reisende aus China verständigen können, empfehlen diese aber nachdrücklich. Zudem wird demnach unter anderem das Tragen einer medizinischen oder einer FFP2-Maske an Bord der Flugzeuge aus China empfohlen. Die Schweiz wartet noch zu mit einem definitiven Entscheid. Thomas Steffen war beim Corona-Ausbruch 2020 Kantonsarzt in Basel-Stadt und hat die damalige Krisensituation hautnah miterlebt. Ob er gerade ein Déjà-vu erlebt, erzählt er im Interview.
Thomas Steffen, in China breitet sich Corona zurzeit rasant aus. Haben Sie ein Déjà-vu?
Die nun sehr schnelle Ausbreitung des Coronavirus in China nach dem Ende der strikten Corona-Massnahmen erinnert natürlich an die Ausbreitungswellen in Europa, wie wir sie beispielsweise anfangs 2022 gesehen haben. In China dürfte aber aufgrund der geringen Immunität in der Bevölkerung die Dynamik noch einiges höher sein als damals in Europa. Leider verfügen wir aber aus China gemäss WHO nicht über ausreichend Daten zu den Hospitalisationen und Todesfällen, was die Gesamtbeurteilung erschwert.
Inwiefern unterscheidet sich die Situation von der vor drei Jahren?
Vor allen zwei Faktoren sind glücklicherweise heute in der Schweiz im Vergleich zur Situation von vor drei Jahren grundlegend anders. Die Bevölkerung weist eine sehr hohe Immunität gegen das Coronavirus aus und die heute weltweit zirkulierenden Omikron-Varianten können sich zwar besser verbreiten, führen aber insgesamt zu weniger schweren Krankheitsfällen. Aus diesen Gründen war es auch möglich, auf die bevölkerungsbezogenen Massnahmen zu verzichten.
Trotzdem könnte das Virus mutieren und auch für uns eine Gefahr werden. Ein reales Szenario?
Mutationen sind ein alltägliches Phänomen in der Natur. Das Aufkommen neuer Virus-Varianten ist deshalb nichts Ungewöhnliches. In der jetzigen Phase der Corona Pandemie ist aber eine gefährliche Mutation beim Coronavirus eher unwahrscheinlich, da die grosse Immunität in der Bevölkerung die Virusdynamik erheblich bremst. Auch in China ist damit zu rechnen, dass sich nun schnell eine sehr breite Immunität in der Bevölkerung aufbaut.
Was kann die Schweiz tun, damit es wegen der Situation in China nicht erneut zu einem grösseren Ausbruch kommt?
Eine neue Welle in der Schweiz ausgelöst durch die aktuelle Situation in China ist nicht zu erwarten. Trotzdem befürworte ich, dass die Schweiz analog den EU-Empfehlungen Testvorschriften für Reisende aus China einführt. Dies könnte auch indirekt das Monitoring der Virus-Varianten verbessern. Hier muss man aus den Erfahrungen der Pandemiejahre lernen, dass die Fähigkeit, an den Grenzen auf ansteckende Krankheiten zu reagieren, verbessert werden muss. So könnten wir bei neuen Ausbrüchen eines Krankheitserregers schneller reagieren und hätten zusätzlich mehr Information über das Ausbruchsverhalten eines neuen Erregers.
Was kann oder soll ich als Einzelperson tun? Ist zurzeit eine VVerhalterhaltensänderung nötig?
Verhaltensänderungen in der Schweiz braucht es im Moment wegen der Situation in China keine. Eine Chinareise ist im Moment aber sicher vorgängig bezüglich der Situation vor Ort gut abzuklären. Da im Moment saisonal auch noch andere Krankheitserreger sehr aktiv sind, empfehle ich neben den allgemeinen Hygieneregeln vor allem, dass man krank zu Hause bleibt. Das hilft immer bei der Genesung und schützt andere.