Keine leeren Flaschen: Millionen Menschen starten mit einem alkoholfreien Monat ins Jahr (Bild: Keystone)
Schweiz

Der Rutsch ins Trockene

Immer mehr Menschen schliessen sich der Dry January-Bewegung an. Nachhaltig oder vergänglich: wie sinnvoll ist ein alkoholfreier Monat?

Bereits zum zehnten Mal starten Millionen von Menschen alkoholfrei ins neue Jahr. Der sogenannte Dry January funktioniert ganz einfach: Wer mitmacht, konsumiert vom 1.-31. Januar keinen Alkohol. Die Bewegung stammt aus Grossbritannien und hat sich weltweit ausgebreitet. Sie gewinnt von Jahr zu Jahr an Beliebtheit – auch in der Schweiz. Das Bundesamt für Gesundheit wie auch diverse andere Organisationen unterstützen den alkoholfreien Januar. Aber welchen Nutzen hat der kurzzeitige Verzicht auf Alkohol?

Mit Slogans wie «Weniger Rausch, mehr Plausch», «Weniger Promille, mehr Durchhaltewille!» oder «Weniger Wein, mehr sein» wird für die positiven Auswirkungen geworben. Denn gemäss Dry January Schweiz bringt der abstinente Monat eine ganze Bandbreite an erfreulichen Effekten. Wie eine Studie aus England zeigt, fühlt man sich gesünder, hat man mehr Energie, profitiert man von einer besseren Schlafqualität sowie einer schöneren Haut und spart dazu noch eine Menge Geld. Zudem kann sich der Körper, insbesondere die Leber, erholen. Alles vergängliche Auswirkungen? Nicht ganz – denn die Studie belegt auch, dass über sieben von zehn Teilnehmenden nach dem trockenen Monat weniger Alkohol konsumieren.

Dry January Schweiz ist nun daran interessiert, nationale Daten zu erheben. «Daher werden wir Anfang Februar mit Sucht Schweiz eine wissenschaftlich begleitete Studie beginnen. Die Auswertungen erwarten wir etwa Mitte-Ende März 2023.» berichtet Anne Graber, Kampagnenleiterin Dry January Schweiz vom Blauen Kreuz.

Den eigenen Konsum überdenken

Ein längerfristig positives Ergebnis der Bewegung sieht auch Regine Steinauer, Leiterin der Abteilung Sucht des Gesundheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt: «Die Aktion Dry January trägt zur Sensibilisierung des eigenen Alkoholkonsums bei. Einzelne nehmen dies als willkommene Gelegenheit, bewusst auf den Alkoholkonsum zu verzichten und anschliessend in moderaten Mengen auch bewusster zu geniessen. Andere bemerken so vielleicht, dass ihr Konsum doch höher und regelmässiger ausfällt, als sie dies im Alltag wahrnehmen.»

Auch die Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel empfinden den Dry January grundsätzlich als sinnvolle Aktion. Um einen nachhaltigen Nutzen daraus zu ziehen sei es allerdings notwendig, sein Konsumverhalten regelmässig zu reflektieren. Beschränke man sich lediglich auf den einmonatigen Verzicht und überdenke danach nicht weiterhin seine Gewohnheiten, so sei der trockene Monat weniger zielführend, wie es auf Anfrage heisst.

Der erste Monat des Jahres eigne sich besonders gut, um der Leber eine Pause zu gönnen. «Die Motivation ist im Januar sehr gross, da die meisten von uns im Dezember mehr Genussmittel konsumieren als in den restlichen elf Monaten, sodass im Januar automatisch das Bedürfnis entsteht, sich gesünder zu ernähren.», erzählt  Ernährungs- & Gesundheitscoach Dami Niederhauser.

Keine Abstinenz für Abhängige

Bei alkoholabhängigen Menschen ist beim trockenen Monat Vorsicht geboten. «Sie sollten einen Konsumstopp immer mit ihrem Hausarzt/ihrer Hausärztin vorbesprechen, da es bei plötzlichem Absetzen von Alkohol unter Umständen zu schweren Entzugskomplikationen wie einem epileptischen Anfall kommen kann. Auch benötigen Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit eine integrierte Behandlung mit längerfristigem Behandlungsplan. Hier wäre ein Monat Verzicht und ansonsten fortgesetzter Konsum nicht wirklich zielführend.», warnt Dr. Margrit Proescholdt, Leitende Ärztin am Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen der Klinik für Erwachsene der UPK Basel.

Ist der einmonatige Verzicht für alle Menschen ohne Abhängigkeit geeignet? Hier ist man sich nicht ganz einig. Dry January Schweiz findet die Aktion auch für Menschen mit einem regelmässigen Alkoholkonsum sinnvoll. Dr. Margrit Proescholdt der UPK Basel sieht auch ein Risiko: «Bei „positiver“ Erfahrung („ich kann ja problemlos auf Alkohol verzichten“), könnte ein eventuell vorhandenes Problem unterschätzt und nach dem Monat des Verzichts wieder ein risikoreicher oder gar abhängiger Konsum fortgeführt werden.»

Inwiefern der Dry January längerfristig etwas bringt, ist also neben der Konsumreflektion auch vom bisherigen Konsumverhalten abhängig.

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