Nirgends werden in der Schweiz so viele psychisch Erkrankte stationär behandelt, wie in den beiden Basel. Das Angebot konnte mit der erhöhten Nachfrage in den letzten Jahren nicht mithalten. Deshalb wollen die beiden Kantone den stationären Betrieb bei der Erwachsenen Psychiatrie entlasten und vermehrt auf sogenannte Tageskliniken setzen. Sie sind die Schnittstelle zwischen der stationären und der ambulanten Behandlung. Telebasel berichtete bereits über das neue Finanzierungssystem. Kurz darauf meldete sich eine Zuschauerin, welche selbst betroffen ist und die Entwicklung der Psychiatrie mit Sorge betrachtet.
«Mich aus meinem Umfeld raus zu nehmen, war das einzig richtige»
Madeleine Jacomet leidet an einer Depression. Ihre private Situation belastete sie an einem Punkt so sehr, dass es irgendwann nicht mehr ging und sie sich nur noch mit Mühe um ihre kleine Tochter kümmern konnte. Der Alleinerziehenden wurde dann von Ärzten ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik empfohlen, welcher für sie rückblickend die beste Entscheidung gewesen sei. «Mich aus meinem Umfeld raus zu nehmen, war das einzig richtige. Dass ich wieder mal zu mir komme, mal nicht nur für andere da bin, sondern meine Probleme aufarbeiten kann», so Jacomet. Diesen Heilungsprozess habe sie nicht hinlegen können, hätte sie eine Behandlung in einer Tagesklinik verordnet bekommen, ist sie überzeugt. «Das kannst du nicht, wenn du nur von neun bis fünf Uhr da bist. Das mit den MitpatientInnen bringt eben auch noch viel, wenn man sich abends austauschen kann». Zuhause sei man abends sehr alleine. Für jemanden mit suizidalen Tendenzen sei das sehr gefährlich, so die Baslerin.
«Letztlich entscheidet jeder Patient für sich, was er gerne möchte»
Deshalb ist sie auch besorgt um das neue Finanzierungssystem der beiden Basel. Sie fürchtet, bei einem Rückfall nicht mehr die Option eines stationären Aufenthalts erhalte. Doch Psychiater Dennis Bernoulli gibt Entwarnung: Mit dem neuen Konzept seien die Behandlungen so vielfältig wie ein Baukasten. Man könne für jeden Patienten und jede Patientin die richtige Therapie zusammenstellen. «Letztlich entscheidet jeder Patient für sich, was er gerne möchte. Bei dieser Patientin war es offenbar so, dass sie stark unter Einsamkeit litt und dass es für sie belastend war zuhause. Dann kann sie natürlich, wenn sie das wünscht, in die Klinik eintreten. Das wird auch mit dem neuen Finanzierungssystem selbstverständlich so sein», so Bernoulli.
«Wir wollen, dass ein stationärer Aufenthalt gar nicht erst nötig wird»
Am neuen System haben Dennis Bernoulli, der die Fachgruppe Psychiatrie und Psychotherapie Basel leitet und andere Mitglieder der Psychiatrischen Kommission des Kantons, drei Jahre lang getüftelt. Dass der Kanton sie nun endlich hört und den Empfehlungen und Bedürfnissen nachkommt, sei ein riesiger Erfolg. Die Tageskliniken seien ein grosses Anliegen. Denn momentan habe es lange Wartelisten. «Das gibt es schon länger, dass man nach einem stationären Aufenthalt in der UPK in ein Tagesklinik-Setting wechseln kann. Wir wollen aber, dass ein stationärer Aufenthalt gar nicht erst nötig wird. Sondern, dass man gerade Leute, die Angst davor haben in die Klinik zu gehen, eine Übernachtung zuhause anbieten kann», so der Psychiater. In der Tagesklinik gebe es im Vergleich zur ambulanten Behandlung in einer Praxis nämlich ein ähnliches Programm, wie in der Klinik. «So, dass sie trotzdem an allen Gruppentherapien, Milieutherapien oder Kunsttherapien teilnehmen können, die ich im Ambulanten nicht habe. Damit es ihnen bald wieder besser geht».
PsychiaterInnen spüren von den Änderungen der beiden Kantonen bislang noch nichts. Bis Ende Januar können sich Kliniken und Institutionen für die Spitallisten und Leistungsaufträge der beiden Basel bewerben. Danach wird auch das Angebot entsprechend ausgebaut.