Kaum ein Thema wird aktuell so heiss diskutiert wie die Verschärfung des Sexualstrafrechts in der Schweiz. Im Kern geht es darum, wie ein sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung oder eine Vergewaltigung juristisch beurteilt wird. Zur Debatte stehen die Widerspruchslösung («Nein heisst Nein») und die Zustimmungslösung («Nur Ja heisst Ja»). Der Ständerat und der Nationalrat debattierten darüber.
Ständerat und Nationalrat nicht einig
Diesen Sommer befasste sich der Ständerat als Erster mit der Vorlage und sprach sich für die Widerspruchslösung aus. Demnach macht sich strafbar, wer sexuelle Handlungen «gegen den Willen» einer Person vornimmt. Dies wurde unter anderem von Operation Libero stark kritisiert und führte mit weiteren Organisationen zu einer Sammlung von über 40’000 Unterschriften, um «Nur Ja heisst Ja» Nachdruck zu verleihen. Die Petition wurde bei der Bundeskanzlei Ende November eingereicht.
Vor einer Woche debattierte dann auch der Nationalrat über die Verschärfung des Sexualstrafrechts. Dieser sprach sich nach einer längeren Debatte anders als der Ständerat für das Modell «Nur Ja heisst Ja» aus. Die Kommissionsmehrheit erhofft sich davon, dass sich bei der Aufklärung von Sexualdelikten der Fokus der Strafverfolgungsbehörden vermehrt auf das Verhalten des Täters richtet und nicht das Verhalten des Opfers im Zentrum steht.
Denis Sorie: «Wandel hat längst stattgefunden»
Denis Sorie von Operation Libero freut sich über den Entscheid von vergangener Woche. Er sei ein Zeichen dafür, dass der Nationalrat auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingeht. «Besonders freut mich, dass alle NationalrätInnen aus Basel-Stadt für die Zustimmungslösung gestimmt haben», sagt Denis Sorie. «Es hat längst ein Wandel stattgefunden und endlich wird dieser auch im Sexualstrafrecht diskutiert und hoffentlich auch umgesetzt.»
Laetitia Block: «Schuld muss bewiesen werden»
Die Vizepräsidentin der SVP Basel-Stadt, Laetitia Block, ist da anderer Meinung und befürwortet die Widerspruchslösung. Denn die Zustimmungslösung würde falsche Hoffnungen wecken, die im Strafverfahren nicht erfüllt werden können, so die Juristin. Die Form der Zustimmung würde dabei keinen Unterschied machen. «Im Strafverfahren ist es am Ende egal, ob jemand ja oder nein gesagt hat. Denn es ist die Schuldtat, die letztlich bewiesen werden muss.»
Die Revision des Sexualstrafrechts werde ohnehin bereits eine wesentliche Verbesserung bringen, so Block weiter. Dies, weil eine Vergewaltigung neu alle Geschlechter betrifft und nicht mehr nur Frauen Opfer einer Vergewaltigung werden. «Ebenfalls wichtig ist, dass das Nötigungselement gestrichen wird. Das heisst, dass es keine Druckausübung oder Gewalt mehr braucht.»
«Nein heisst Nein» oder «Nur Ja heisst Ja»? Der Ball liegt nun wieder beim Ständerat. Dieser wird im Frühjahr erneut über den Entscheid des Nationalrats debattieren. Die Anpassung zum Sexualstrafrecht wird also sowohl in der Schweizer Politik als auch der Bevölkerung noch weiter für Gesprächsstoff sorgen.