«Wir wollen keine Tests, wir wollen Freiheit» und «Hebt den Lockdown auf». Das skandieren die Menschen, die in grossen Städten wie Peking oder auch in Shanghai protestieren. Noch in den frühen Morgenstunden ging ein Grossaufgebot der Polizei in der Hauptstadt Peking gegen Hunderte protestierende Menschen nahe dem Diplomatenviertel vor.
Journalisten, die über die Proteste berichteten, mussten mit Repressionen rechnen. In Shanghai wurde der Korrespondent des Westschweizer Fernsehens RTS, Michel Peuker, zusammen mit seinem Kameramann nach einer Live-Schaltung in der Tagesschau festgenommen. Wenig später wurden sie wieder freigelassen. Ein Reporter der BBC sei nach eigenen Angaben von der chinesischen Polizei misshandelt worden. Vonseiten der chinesischen Behörden gab es keine offizielle Erklärung für diese Vorfälle.
Michael Peuker wurde im Anschluss an seine Liveschaltung kurzzeitig von Polizisten festgenommen. (Screenshot: RTS)
Als Symbol des Widerstands und des Protests gegen die Zensur hielten viele Demonstranten unbeschriebene weisse Blätter hoch. Protestmärsche gab es auch in anderen Millionenstädten wie Chengdu, Chongqing, Wuhan und Nanjing. Auch in Universitäten regt sich Unmut. Soziale Medien waren voll mit Videoaufnahmen, die von der chinesischen Zensur aber schnell wieder gelöscht wurden.
Null-Covid-Politik legt Städte lahm
Es sind die grössten Proteste in China seit der Demokratiebewegung 1989, die am 4. Juni jenen Jahres durch das Militär blutig niedergeschlagen wurde. Auslöser des seltenen öffentlichen Unmuts ist aktuell ein Wohnungsbrand in der Metropole Ürümqi in der nordwestchinesischen Region Xinjiang am Donnerstagabend mit mindestens zehn Toten. Viele Menschen kritisierten, dass die Lösch- und Rettungsarbeiten durch die strengen Corona-Massnahmen behindert worden seien.
Durch die extrem rigiden Massnahmen der Behörden im Kampf gegen das Coronavirus nimmt der Unmut in der Bevölkerung seit Wochen immer mehr zu. Viele Millionenstädte sind weitgehend lahmgelegt. Die Menschen stören sich an ständigen Tests, Ausgangssperren, Zwangsquarantäne, lückenloser Überwachung durch Corona-Apps und Kontaktverfolgung, mit denen die Behörden versuchen, die sich leicht verbreitenden Omikron-Varianten des Virus in den Griff zu bekommen. Schon bei einzelnen Infektionen oder Verdachtsfällen werden ganze Wohnblöcke und Wohnanlagen abgeriegelt. Verärgerte Bewohner rissen in Peking und anderswo Absperrungen nieder.
Trotz des rigorosen Vorgehens gegen das Virus wird das Milliardenvolk gegenwärtig von der schlimmsten Corona-Welle seit Beginn der Pandemie vor knapp drei Jahren heimgesucht. Die Gesundheitskommission meldete am Montag mit rund 40’000 Neuinfektionen wieder einen Höchststand im Land. In Peking waren es knapp 3’900 Fälle.
Die Niederschlagung dieser Proteste ist vorprogrammiert. Die Kommunistische Partei Chinas sieht sich als wohlsorgende Mutter. Diese Fassade duldet keine Risse.Report