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Der Telebasel News-Beitrag vom 23. August 2022.
Basel

Fünf Stolpersteine gegen das Vergessen

Die Schweiz hatte bei der Verfolgung von Jüdinnen und Juden im Zweiten Weltkrieg keine saubere Weste. Der Verein Stolpersteine will daran erinnern.

Die Schweiz im Zweiten Weltkrieg: Ein dunkles Kapitel der Geschichte. Denn im Jahr 1942 riegelte die Schweizer Bundesregierung die Landesgrenze hermetisch ab und wies Geflüchtete zurück. Menschen, die doch ein Schlupfloch fanden, wurden bis einige Kilometer innerhalb des Landes wieder ausgewiesen. Diese Abriegelung markierte den Höhepunkt der sogenannten «Das Boot ist voll»-Politik. Auch Jüdinnen und Juden mit Basler Bezug wurden vom Naziregime deportiert und ermordet. Jenen möchte der Verein Stolpersteine Schweiz gedenken und legte heute fünf weitere Stolpersteine, queer in der Stadt verteilt, an der Hegenheimerstrasse, der Utengasse und dem Spalenring.

Die Geschichte von Edmée Hirsch

Einer der Stolpersteine soll an Edmée Hirsch erinnern, die im Jahr 1907 am Spalenring 140 geboren wurde. Weil sie als junge Frau jedoch einen Franzosen heiratete, wurde ihr das Schweizer Bürgerrecht entzogen. Die Familie liess sich darauf hin in Colmar nieder, wo sie den kleinen Claude in die Welt setzte. Im Jahr 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus und brachte die jüdische Familie in grosse Bedrängnis, erzählt Doktorandin Sophie Küsterling. «Edmée Hirschs Mutter wohnte immer noch in Basel und versuchte, ihre Schwiegertochter, ihren Sohn und ihren Enkel zurück zu holen. Die Basler Behörden verweigerten dies jedoch zwei Mal. Beim dritten Mal war es leider zu spät.» Zwar war der Dritte Versuch durch die Arbeit eines Anwalts erfolgreich, aber zu spät. Denn einen Tag, bevor sie die Bewilligung erhielten, wurden sie verhaftet, so Küsterling. «Sie wurden denn über Trancy nach Auschwitz deportiert. Vater Armond Hirsch wurde am selben Tag in der Gaskammer ermordet, die Mutter starb später an den Folgen einer Lungenentzündung. Nur Claude Hirsch überlebte als 13-Jähriger».

«Den Krieg und die ganze Unsicherheit auf diese Weise mitzuerleben, geht einem nahe»

Claude Hirsch ist heute 91. Er wohnte dem Anlass heute Dienstag bei, an dem der Stolperstein in Gedenken an seine Mutter gesetzt wurde. Man sah dem Mann an, wie emotional dieser Moment für ihn sein musste. In einer kurzen Ansprache bedankte Herr Hirsch sich beim Verein für das Engagement. Die Historikerin Sophie Küsterling, welche die Familiengeschichte der Hirschs› recherchierte, könne nur ahnen, wie schlimm es damals gewesen sein muss. «Wenn man die Akten anschaut, die im Staatsarchiv Basel liegen, dann spürt man die Verzweiflung aus den Briefen von Edmées Mutter. Wie sie versucht die Familie der Tochter zu retten, dann auch einen Anwalt einschaltet, das ist wahnsinnig emotional. Den Krieg und die ganze Unsicherheit auf diese Weise mitzuerleben, geht einem nahe», so Küsterling.

Individuelle Schicksale ans Licht bringen

Ein Geschichtsbuch, das Jahreszahlen aneinanderreiht, schaffe keine Betroffenheit. Lebensgeschichten hingegen schon. Das sei gerade der Sinn und Zweck der Stolpersteine, erklärt Gabriel Heim, der Mitglied im Verein Stolpersteine ist. «Wir bringen individuelle Schicksale wieder ans Licht, rufen sie in Erinnerung und dokumentieren sie ein stückweit. So lässt sich aufzeigen, dass Wanderungsbewegungen, Flucht, Heimatlosigkeit und Verzweiflung einfach in jeder Generation für die Menschen eine Bedrängnis war und dass es auch heute wieder eine Rolle spielt», so der ehemalige Journalist. Die Stolpersteine sollen eine Aufforderung sein, Geflüchteten zu helfen. Heute und in Zukunft.

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