Weil das Rahmenabkommen gescheitert ist, ist die Schweiz beim Forschungsprogramm «Horizon Europe» nur noch ein nicht-assoziierter Drittstaat. Das ist gerade für Basel als Forschungsstandort einschneidend. Die neue Motion zu «Dringliche Massnahmen zugunsten des Schweizer Forschungs-, Bildungs- und Innovationsstandorts» fordert, dass man so schnell wie möglich eine Lösung findet und bei «Horizon Europe» wieder aufgenommen wird. Etwa, indem die Schweiz als Gegenleistung einmalig einen höheren Kohäsionsbeitrag zahlt.
Prekäre Situation für den Forschungsstandort Basel
«Horizon Europe» gilt in der Schweiz als zweitgrösster Geldgeber für die Forschung. Für Basel als Forschungsstandort und Grenzkanton hat das eine ganz besondere Bedeutung. Die Grüne Nationalrätin Sibel Arslan ist der Meinung, dass sich der Bundesrat schnell wieder an den Verhandlungstisch mit der EU setzen muss. Deshalb begrüsst sie den neuen Vorstoss der aussenpolitischen Kommission. «Diese Unsicherheit führt dazu, dass wir wichtige Personen in Bildung, Forschung und Innovation nicht mehr in die Schweiz holen können. Wir sind schlechter gestellt als Drittstaaten und folglich haben wir auch regionale Interessen, dass diese Motion durchkommt.»
Bundesrat lehnt die Motion ab
Der Bundesrat lehnt die Motion bislang ab. Er habe die nötigen Schritte schon eingeleitet, heisst es. Jetzt müsse man warten, bis die EU das Gespräch mit der Schweiz suche. Sibel Arslan kann das nicht verstehen. «Der Bundesrat hat in der Tat einige Fortschritte gemacht. Sie sagen immer, dass sie einige Vorschläge machen, was das für Vorschläge sind, wissen wir jedoch nicht.»
Man müsse ganz klar anerkennen, dass der Bundesrat die Verhandlungen mit der EU einseitig abgebrochen habe, so Arslan. «Der Bundesrat hat uns in eine schwierige Situation gebracht. Wir sind der Meinung, dass das Parlament dem Bundesrat mehr Druck machen soll und der Bundesrat viel schneller agieren sollte.»
«Sand ins Getriebe»
Auch Elisabeth Schneider-Schneiter ist der Meinung, dass man dem Bundesrat Druck machen müsse, um wieder ins Forschungsprogramm «Horizon Europe» aufgenommen zu werden. Die Motion lehnt sie allerdings ab. Grund: Mit der Motion ist ein Kohäsionsbeitrag verknüpft. Das sei ein formaler Fehler, so die Mitte-Nationalrätin. «Die EU hat schon oft gesagt, dass sie sich nicht mit Kohäsionszahlungen kaufen lässt. Sondern, dass die institutionellen Fragen gelöst werden sollen.»
Bei den institutionellen Lösungen geht es um das, was schon im Rahmenabkommen hätte geregelt werden sollen. Zum Beispiel, wie die Schweiz mit dem EU-Recht umgehen will. Dafür müsse man zurück an den Verhandlungstisch kehren, so Schneider-Schneiter. «Das sind Fragen, auf welche die EU Antworten haben will und wir sind diese Antworten noch schuldig. Wir haben die Verhandlungen abgebrochen, sind nicht mehr am Verhandlungstisch. Wir müssen uns zuerst innenpolitisch klar werden, was wir wollen. Und dann muss das Parlament zuerst wieder ein Verhandlungsmandat geben. So schnell geht das nicht.» Die Motion sei also nicht Zielführend, sondern eher «Sand im Getriebe» für den weiteren Prozess, so Schneider-Schneiter.
Economiesuisse befürwortet die Motion
Economiesuisse unterstützt die Motion. Somit bezieht Elisabeth Schneider-Schneiter, die im Vorstand des Verbands sitzt, eine andere Position. «Wenn nicht bald Verhandlungen über die Vollassoziierung zu ‹Horizon Europe› beginnen, werden Schweizer Forschende an den nächsten Ausschreibungen weiterhin nicht voll berechtigt teilnehmen können. Gerade bei den Grants des European Research Council würde eine schmerzliche Lücke entstehen. Auch die Tatsache, dass Schweizer Forschende keine ‹Horizon Europe›-Projekte mehr leiten können, wirkt sich nachteilig auf den Forschungsplatz Schweiz aus», teilt die Economiesuisse auf Anfrage mit. Zwar habe die Schweiz bereits einige Massnahmen umgesetzt, damit der Schaden für die Schweizer Forschenden abgeschwächt wird. Dennoch seien die verbleibenden Nachteile gross.
Ob die Motion vom Nationalrat angenommen oder abgelehnt wird, entscheidet sich am Montag.
Die Motion zum Forschungsprogramm «Horizon» ist auch ein Thema im Telebasel Sonntags-Talk vom 12. Juni 2022. Wir sprechen am Sonntag mit SP-Nationalrat Eric Nussbaumer, der Direktorin des Arbeitgeberverbands Saskia Schenker und dem Journalist Dominik Feusi darüber.