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Der Telebasel News-Beitrag vom 10. Mai 2022.
Basel

Virtuelle Demo im Lockdown: Freispruch für vier AktivistInnen

Prozess um Livestream-Demo «March against Syngenta» im Frühling 2020: Beteiligte werden in fast allen Punkten freigesprochen. Eine Busse gibt es dennoch.

Man erinnere sich zurück an den Corona-Lockdown im Frühling 2020. Demos sind nicht erlaubt. Not macht aber auch beim Verein «March against Syngenta» erfinderisch. Anstelle einer Kundgebung wie in den Vorjahren beschliessen die Organisatoren, eine virtuelle Demo durchzuführen. Lediglich vier AktivistInnen fahren mit ihrem Velo die Route durch die Stadt ab. Hin und wieder packen sie Transparente aus dem Anhänger aus. Das Ganze halten sie in einem Livestream fest.

Die vier TeilnehmerInnen, drei Männer und eine Frau, mussten sich am Dienstag, 10. Mai,  vor Gericht verantworten. Ihnen wurde Anstiftung zur Hinderung einer Amtshandlung, Widerhandlung gegen das Übertretungsstrafgesetz, namentlich Diensterschwerung und Übertretung der Covid-19-Verordnung, vorgeworfen.

Ein Ausschnitt aus ihrem Livestream, der im Gerichtssaal abgespielt wurde, zeigt die fragliche Szene vom  25. April 2020: Die vier Syngenta-KritikerInnen werden an der Clarastrasse von der Polizei angehalten. Es ist bereits die zweite Kontrolle an diesem Nachtmittag. Zwei Kastenwagen sind stationiert. Ein Beteiligter wird auf den Posten abgeführt, zwei diskutieren mit der Polizei und die vierte Aktivistin hält das Ganze für den Livestream fest.

Eine Polizeikontrolle, die nicht enden will

Nicola Goepfert, Präsident des Vereins March against Monsanto, ist einer der Beschuldigten. Wie er vor Gericht betont, habe seine Gruppe alles unternommen, um eine Aktion zu planen, die kompatibel ist mit den Corona-Massnahmen. «Es war ein absurdes Erlebnis», erinnert sich ein weiterer Beschuldigter. Obschon die Ausweise bereits vorgelegt wurden, habe die Kontrolle einfach nicht aufgehört. Die Gruppe habe auf die Ausweise und auf den Kollegen auf dem Posten gewartet.

Nicht auf Video festgehalten ist die Szene, die sich nachher abspielte: Der fünfte Beschuldigte schaltet sich ein. Es handelt sich um einen Passanten, der via Livestream von dieser Polizeikontrolle Wind bekam und sich die Sache vor Ort anschauen wollte. An der Clarastrasse geriet er an einen Polizisten, der ihn dann auf den Posten mitnahm, wo er sich gar einer Leibesvisitation unterziehen musste. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Drohung gegen Beamte vor.

Dabei waren auch sprachliche Nuancen ein Thema. Der beteiligte Polizist sagte, der Mann habe die Kontrolle gestört und habe gedroht, ihn anzuspucken. «Bitte den Abstand von zwei Metern einhalten, sonst spucken wir uns noch an», so sei die Aussage gemeint gewesen, wie er vor Gericht präzisierte. Verteidiger Christian von Wartburg forderte Freispruch für alle fünf. Die Aktion sei völlig legal gewesen.

«Damit werden Leute eingeschüchtert»

Das Gericht kommt schliesslich zum Schluss, dass die Polizeikontrolle durchgeführt werden konnte. Im Video ist keine Amtshandlung der Polizei ersichtlich, wie der Richter festhält. Somit sei auch nicht erkennbar, dass die Polizei behindert worden wäre. Die Abstandsvorschriften seien zudem eingehalten worden. Somit spricht der Richter alle Vier vom Vorwurf der Diensterschwerung und Verstoss gegen Covid-Verordnung frei. Er stellt im Livestream auch keine Anstiftung zum Mitmachen fest. Daher spricht er die vier Beteiligten auch von diesem Tatbestand frei.

«Das zeigt, dass die Vorwürfe der Polizei und Staatsanwaltschaft nicht rechtens waren,  und wir sind natürlich glücklich, dass das Gericht unsere Ansichten teilt in diesen Punkten», sagte Nicola Goepfert nach dem Urteil gegenüber Telebasel. «Es ist natürlich trotzdem kein guter Tag in diesem Sinn, dass die Polizei und Staatsanwaltschaft in Basel solche Fälle überhaupt verfolgen. Damit werden Leute eingeschüchtert.»

Trotz Freisprüchen gibt es auch eine Wermutstropfen für ihn und die anderen drei Beteiligten. Sie müssen eine Busse von 100 Franken zahlen. Dies, weil sie vor dem Syngenta-Sitz die Abstandsregeln nicht eingehalten haben. Zudem müssen sie die Verfahrenskosten berappen. Anders sieht es für den Passanten aus. Er muss wegen Diensterschwerung eine Busse von 400 Franken zahlen. Vom Vorwurf der Drohung gegen Behörden wird er aber freigesprochen.

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