Cindy Boccia liegt beim Doc auf dem Schragen: «Ist das normal, dieser Knubbel hier?», fragt sie leicht verunsichert. Vor wenigen Tagen wurde sie in Rheinfelden an der Nase operiert: «Sie war irgendwie ein wenig Schräg», fand die Aargauerin. Schönheits-Chirurg John Doummar versichert, dass es sich um ein normales Stückchen Narbengewebe handle, das mit der Zeit verschwinden werde.

Vorbereitung auf die maskenfreie Zeit
Dass sich Boccia auf den OP-Tisch begeben hat, liege an den Corona-Schutzmasken: «Ich mache oft Fotos für meinen eigenen Online-Shop – bis jetzt konnte ich mein Gesicht hinter der Maske verstecken, das geht jetzt aber nicht mehr», sagt sie. Gerade noch rechtzeitig zur Aufhebung aller Massnahmen habe sie deshalb nun ihr Wunschgesicht.
Circa eine Woche habe sie einen Gips tragen müssen – da sei die Maske aber ein letztes Mal von Vorteil gewesen: «Ein kleines Stückchen vom Gips kam oben raus – den Rest konnte ich mit der Maske verdecken», freut sich Boccia. Es sei ihr erster Eingriff – aber natürlich nur, wenn man die paar Botox-Aufspritzungen in Lippe und Gesicht nicht mitzähle. Aber die mache heutzutage ja ohnehin jede Frau.

Gründe sind verschieden und doch alle gleich
John Doummar, Chefarzt und Leiter der Schönheits-Klinik Aesthea in Rheinfelden sagt, dies sei eine klassische Geschichte, die er in den letzten Jahren mehrfach gehört habe. Die Maske, die helfe einen Eingriff zu verdecken. Aber auch das Homeoffice habe geholfen, sich nach einem Eingriff nicht direkt unter Leute begeben zu müssen, sagt Doummar.
Andere Kunden hätten schlichtweg nicht wie gewohnt Reisen können, seien kaum in Restaurants essen gegangen und hätten deshalb mehr Geld für ihr Äusseres zur Verfügung gehabt. So unterschiedlich die Gründe zu sein vermochten: Am Ende war es immer Corona.

«Langsam nimmt es etwas skurrile Formen an»
Ein Trend, den auch Mark Nussberger, Chirurg im Basler St. Johann miterlebt. So könne er sich trotz 30-jähriger Berufserfahrung nicht erinnern, dass es mal ein äusseres Ereignis gegeben hätte, das die Leute derart zahlreich auf seinen OP-Tisch getrieben hätte: «Am ehesten wohl noch der zweite Weltkrieg – aber da ging es hauptsächlich um Rekonstruktions-Chirurgie – Stump-Versorgung und dergleichen.»
Für ihn hat der Boom aber bereits mit Instagram und den anderen sozialen Medien angefangen: «Plötzlich gab es Idealvorstellungen, wie man auszusehen hat, um erfolgreich zu sein. Nicht nur Gutbetuchte, sondern alle wollten das plötzlich machen.»
Das habe mittlerweile skurrile Formen angenommen und zu einem fragwürdigen Uniformismus geführt, findet Nussberger: «Da lassen sich 25-Jährige Botox in ihre Gesichtsmuskeln spritzen, obwohl die ja noch gar keine Falten haben.»