Die Fachstelle «Aliena» ist für Sexarbeiterinnen da, wenn sie ein offenes Ohr brauchen. Viky Eberhard, welche die Fachstelle während den letzten 20 Jahren aufgebaut hat, erzählt, wie sie damals einfach nur zugehört hat. «Bedürfnisse, Träume, Wünsche und Problematiken, welche die Frauen hatten, habe ich mir notiert. Ich habe gedacht: Ok. Es ist nicht nur eine Beratung oder Vermittlung, die gut und auch nötig ist, die Frauen brauchen mehr.» Die Juristin habe damals einfach angefangen, für ihre Klientinnen zu kochen. «Ich bin selbst Migrantin und bei uns kocht man in solchen Situationen einfach. So konnte man sich austauschen, zusammen lachen und auch weinen.»
«Niemand kommt aus São Paulo hierher, um Sexarbeiterin zu werden»
Aliena bedeutet auf lateinisch «die Fremde». Oft sind es Migrantinnen, die einerseits fremd in der Schweiz, aber auch fremd im Job als Sexarbeiterinnen sind. «Es gibt Frauen, die selbstbewusst sind und sagen: Okay, das ist mein Beruf mit dem ich der Gesellschaft etwas Gutes tue und das ist auch in Ordnung. Aber wir leben hier von den Fremden, von Migrantinnen aller Kontinente, die herkommen, weil sie von einem besseren Leben träumen oder für sich und ihre Familie sorgen müssen.» Sie hätten aufgrund von Schicksalsschlägen oder schwierigen Lebensumständen keinen Beruf erlernt. Die Prostitution sei für viele die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen. «Niemand kommt aus São Paulo hierher, um Sexarbeiterin zu werden», hält Viky Eberhard fest.
Wechsel in der Geschäftsleitung
Das Jahr 2021 sei für die Fachstelle turbulent gewesen. Nicht nur wegen Corona, sondern auch, weil ein Wechsel in der Geschäftsleitung ansteht. Nach 20 Jahren gibt Viky Eberhard den Stab an Hanna Lindenfelser weiter, die seit einigen Jahren als Sozialarbeiterin für «Aliena» im Einsatz steht. Für die Präsidentin Ursula Metzger ist klar, dass der langjährige und unermüdliche Einsatz von Viky Eberhard für die Sexarbeiterinnen viel bewirkt hat. «Viky Eberhard hat es geschafft, die Prostitution auf die politische Agenda zu bringen und den Schutz für Sexarbeiterinnen in Basel nachhaltig auszubauen.»
Das Stigma «Sexarbeiterin»
Der Fachstelle gehe es nicht darum, Frauen aus der Sexarbeit heraus zu bekommen, sondern vielmehr um die Unterstützung und darum, das Stigma der Sexarbeit aufzubrechen, wie die angehende Geschäftsleiterin Hanna Lindenfelser erklärt. Das zeigt die Fachstelle mit einer Fotoausstellung zum Jubiläum. «Wichtig war es uns, Frauen bei der Arbeit zu zeigen, dann auch Bilder zu zeigen, was sie in ihrer Freizeit machen und damit auch zu sagen, dass die Frauen nicht nur Sexarbeiterinnen sind. Sie sind Frauen, Mütter, auch Grossmütter, sie sind vielleicht gerne kreativ, sie sind Sportlerinnen. Also sie sind ganz vielfältig und nicht nur zu reduzieren auf das Merkmal Sexarbeit.» «Aliena» berät in einem Jahr knapp 400 Frauen. Ein und aus gehen in der Fachstelle aber über 1’000.
Justizdepartement subventioniert die Fachstelle
Früher musste die Fachstelle ohne öffentliche Subventionen auskommen. Heute leistet das Basler Justiz- und Sicherheitsdepartement einen kleinen Anteil von rund 150’000 Franken. Baschi Dürr setzte sich seiner Zeit als Vorsteher dafür ein. «Prostitution hat es immer gegeben und wird es auch immer geben. Ich glaube, da ist es wichtig, dass Behörden nicht versuchen, mit Regeln und strengen Gesetzen etwas zu verbessern, das immer schwierig bleiben wird.» Es brauche vor allem Organisationen, die pragmatisch und nah bei den Leuten seien, die sich prostituieren. «‹Aliena› ist dafür mustergültig.»