Ein Milliardenpaket schrieb vor rund einem Jahr Geschichte. Mit wenigen Klicks konnten Unternehmen einen vom Bund verbürgten Überbrückungskredit beantragen. In bestimmten Fällen ging es nicht mit rechten Dingen zu. Im Kanton Basel-Stadt ermittelt die Staatsanwaltschaft momentan in vierzig mutmasslichen Missbrauchsfällen. Die Schadenssumme beträgt rund 7,5 Millionen Franken, wie Kriminalkommissär Peter Gill gegenüber Telebasel sagt. «Es kommen immer mehr Fälle dazu. Dabei handelt es sich um Urkundenfälschung, Betrugsdelikte und ungetreue Geschäftsbesorgung», so Gill. Die meisten Anzeigen kämen vom Bund und Konkursämtern, teilweise auch von Privatpersonen. Die ersten Beschuldigten kommen im Juni vors Gericht.
34 Strafverfahren im Baselbiet
Auch die Baselbieter Behörden ermitteln gegen mutmassliche KreditbetrügerInnen. Die Anzahl Fälle sind in etwa vergleichbar mit denjenigen im Stadtkanton. «Bei der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft sind in Zusammenhang mit Covid-19-Krediten aktuell insgesamt 34 Strafverfahren gegen insgesamt 40 beschuldigte Personen hängig», schreibt Mediensprecher Michael Lutz. Die mutmassliche Deliktsumme belaufe sich auf einen Betrag von bis zu 4,5 Millionen Franken.
Gesamtschweizerisch sind laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) 923 offene Strafanzeigen zu Missbrauchsfällen bekannt. 92 Fälle sind abgeschlossen. Um dies ins Verhältnis mit der Gesamtzahl der Kredite zu setzen: Vom 26. März bis am 31. Juli 2020 konnten Schweizer Unternehmen insgesamt 137’919 Überbrückungskredite in Anspruch nehmen.
Widerrechtliche Dividendenausschüttung
Martin Godel, Leiter KMU-Politik beim Seco, stuft die Betrugsquote somit als gering ein. Von einem flächendeckenden Missbrauch könne nicht die Rede sein, obschon letztes Jahr innert weniger Wochen Tausende von Krediten gesprochen wurden. Trotzdem rechnet er damit, dass dieses Jahr noch ein paar Delikte auffliegen könnten. «Die meisten Fälle haben nicht damit zu tun, dass man auf betrügerische Art zum Kredit gekommen ist – viele haben erst mit dem Verhalten der Firma nachdem sie den Kredit bekommen haben, zu tun», sagt Martin Godel.
Ein mögliches Szenario ist zum Beispiel dann, wenn eine Aktiengesellschaft eine Dividende beschliesst. «Sie darf keine Dividende beschliessen gemäss dem Solidarbürgschaftsgesetz und natürlich auch nicht ausschütten, solange sie einen solchen Kredit hat», erklärt Martin Godel. Das komme etwa dann ans Licht, wenn die Eidgenössische Finanzkontrolle zusammen mit dem Seco die Dividendendaten von Unternehmen mit Bürgschaftskrediten analysieren. Auch die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) erhalte Hinweise von den Banken und reiche je nachdem Anzeige bei den kantonalen Staatsanwaltschaften ein. Martin Godel nennt aber auch andere Fälle. So gäben gewisse Unternehmen beim Kreditformular höhere Umsätze an. «Das heisst nicht, dass sie deswegen kein Anrecht hätten, doch nicht in diesem Umfang».