Die Black Lives Matter-Proteste schwappten von den USA über den ganzen Globus auch auf die Schweiz über. Auch hier stellt Rassismus nach wie vor ein Problem dar, weshalb Menschen in verschiedenen Schweizer Städten demonstrieren. Auch die «Schaumkuss»-Diskussion flammte in den vergangenen Tagen wieder auf.
Die SRF Sendung «Arena» entschied, am Freitag eine Sendung zum Thema «Jetzt reden wir Schwarze» zu machen. Die Sendung löste aber grosse Kritik aus.
Ex-Nationalrätin Silvia Schenker beispielsweise zeigte sich von Anfang an kritisch:
Ich las den Titel der #srfarena von heute: „Jetzt reden Schwarze“. Ich dachte: wow, gute Sache. Dann sah ich, wer da diskutiert. Jetzt bin verwirrt.
— Silvia Schenker (@SchenkerSilvia) June 12, 2020
Ein Problem: Drei der vier Panelgäste waren weiss. Mit dabei waren der schwarze Comedian Kiko, die SP Nationalrätin Samira Marti (BL), die SVP-Nationalrätin und ehemalige Polizistin Andrea Geissbühler (BE) und James Foley, Sprecher Republican Overseas Switzerland. Bloss in der zweiten Reihe durften die beiden schwarzen Frauen Angela Addo, Juso-Mitglied und Mitorganisatorin Kundgebung «Black Lives Matter», und Gabriella Binkert, Präsidentin SVP Val Müstair sitzen. Während der Sendung wurden ausserdem noch Manuel Akanji, Schweizer Fussballer bei Borussia Dortmund sowie ein schwarzer Automechaniker zugeschaltet.
Diskussion um Gäste
«Sie haben mir das verheimlicht», sagt Juso-Mitglied Angela Addo zu Moderator Sandro Brotz mit Hinblick darauf, dass auch zwei SVP-Politikerinnen in der Runde sind. Die Mitorganisatorin der Schweizer «Black Lives Matter»-Kundgebungen fühle sich als Schwarze in der Minderheit und hätte es sich überlegt, überhaupt an der Sendung teilzunehmen, wie sie sagt.
«Das ist jetzt also nicht gerecht. Es wurden ja viele Schwarze eingeladen, und sie haben halt abgesagt», kommentiert Komiker Kiko. Addo meint : «Wenn man schon das Motto hat, ‹Jetzt reden die Schwarzen›, dann sollten sie auch hier sein.» Eine Meinung, die SP-Nationalrätin Samira Marti teilt. Viele Schwarze seien wegen der Zusammenstellung mit den SVP-Politikerinnen nicht gekommen, sagt Addo.
SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler (43) erwidert, dass ihre Partei zu Unrecht des Rassismus bezichtigt wird. Die Partei werde deshalb immer ausgegrenzt. Und auch als Polizistin habe sie unanständiges Verhalten ihr gegenüber erlebt. Etwas anderes ist von ihr an diesem Abend kaum zu hören.
Zuschauer überhäufen Sendung mit Kritik
Die Zusammenstellung der Sendung sorgt auch auf Twitter für viel Kritik:
«Jetzt reden wir Schwarzen»
In der ersten Reihe:
– Eine weisse SVP-Politikerin
– Eine weisse SP-Politikerin
– Ein weisser US-Repubikaner
– Ein schwarzer Comedian
Was soll das? #srfarena https://t.co/A1WPMrpryt— Andreas Aerni _ Aendu (@aendu) June 12, 2020
hey @SandroBrotz. gut, dass ihr das thema rassismus aufgreift. aber: 3/4 leute in der vorderen reihe sind weiss. also gibts de facto eine diskussion unter weissen personen darüber, inwiefern BPoC von rassismus betroffen sind? ist das euer ernst? #srfarena
— CEO of tippfehler (@probabyenten) June 12, 2020
Wie macht man eine Sendung über #Rassismus geredet wird? Man lädt drei weisse PolitikerInnen, darunter einen offenen Rassistens, und einen politisch völlig unbeleckten schwarzen Komiker ein und betitelt sie «Jetzt reden wir Schwarze».🤦♂️
Das ging daneben, @SandroBrotz#srfarena— Simon Bieri (@Siru_Per) June 13, 2020
Die Sendung ist das am heissesten diskutierte Thema auf den sozialen Medien der Schweiz am Samstag. Auch kursieren diverse Vorlagen für Beschwerde-Schreiben an die Ombudsstelle.
Vorlagen für Beschwerden. «Eine Sendung mit diesem Titel müsste sehr deutlich die Perspektive Schwarzer Menschen im Fokus haben», steht da etwa. «Stattdessen haben Schwarze Menschen nicht einmal die Hälfte der Redezeit erhalten.» Diese unproportionale Verteilung verstärke ein rassistisches System, dass die «Arena» ursprünglich habe thematisieren wollen.
Rarely in my life have I seen such a biased, unbalanced, offensive panel on national public television. It was a proper shit show. This show may just have actually set black people back. I am beyond disappointed at @SRF that they chose controversy over actual discussion.
— Brandybutler (@Blackswissmiss) June 12, 2020
Künstlerin und Aktivistin Brandy Butler schreibt auf Twitter: «Selten in meinem Leben habe ich ein so voreingenommenes, unausgewogenes, beleidigendes Panel im nationalen öffentlichen Fernsehen gesehen. Es war eine richtige Scheiss-Sendung. Vielleicht hat diese Sendung die Schwarzen tatsächlich zurückgeworfen. Ich bin mehr als enttäuscht von SRF, dass sie die Kontroverse der eigentlichen Diskussion vorgezogen haben.»
Journalist Carlos Hanimann bezeichnete die Sendung als «Debakel mit Ansage»:
Was war das gestern, @SandroBrotz? Kalkül? Unbedarftheit? Desinteresse? Bosheit? Diese #srfarena war auf so vielen Ebenen ein Debakel mit Ansage. Ich hoffe wirklich, Sie haben danach so schlecht geschlafen wie ich. #BlackLivesMatter #NoJusticeNoPeace
— Carlos Hanimann (@crls__) June 13, 2020
Dass die Umsetzung völlig missraten ist, fand beispielsweise auch diese Twitter-Userin:
Was wot mr eigentlich mit de hütige #srfarena erreiche ide Schwiez? @SRF so schad, has so toll gfunde vo eu, dass er euch dem Thema händ welle widme. Aber d’Umsetzig isch es großes FAIL.
— Alexandra Maurer (@alexandramaurer) June 12, 2020
Gäste-Wechsel zum Schluss
Während der Sendung diskutierte Moderator Brotz immer wieder mit seinen Gästen über die Zusammenstellung und argumentierte, am Ende würde die Konstellation der Gäste geändert. Schliesslich lädt er in den letzten 15 Minuten Aktivistin Addo und SVP-Politikerin Gabriella Binkert ein, nach vorne zu kommen, während Geissbühler und Marti in die zweite Reihe wechseln. Doch auch da kommen die beiden schwarzen Frauen nicht deutlich mehr zu Wort, als in der zweiten Reihe.
Die Gäste kritisieren die Sendung bereits während der Aufzeichnung. So schlägt Marti vor, dass man die Sendung «abbrechen könne», als ihre Diskussionspartner in der Schweiz kein Rassismus-Problem erkennen können. Komiker Kiko sagt derweil: «Ich überlege mir, was diese Sendung gebracht hat, wenn wir hier rauslaufen. Die Leute sind doch nur noch verwirrter.»
Zu dieser Verwirrung bei trug auch James Foley bei, der Vertreter der US-Republikaner in der Schweiz verteidigte den US-Präsidenten Donald Trump immer wieder für seine Aktionen. Foley war es auch, der mit folgendem Zitat für massive Kritik sorgte: «Sie haben nicht das Recht, nicht beleidigt zu werden. C’est la vie», sagte er zu Addo.
Auch die Basler Nationalrätin Sibel Arslan meldete sich auf Twitter zu Wort:
Ich hatte vorgewarnt… aber nein! Männer sprechen über Frauen, Weisse über Schwarze, Schweizer*innen über Migranten*innen… Kann und darf ja alles auch sein, dann aber #srfarena nennt das Kind auch beim Namen. https://t.co/4zNNFUv5oO
— 𝗦𝗶𝗯𝗲𝗹 𝗔𝗿𝘀𝗹𝗮𝗻 (@SibelArslanBS) June 13, 2020
Nicht nur während der Ausstrahlung, auch noch am Samstag prasselte via Soziale Netzwerke Kritik auf Brotz ein. Dieser veröffentlichte am Samstagmittag folgendes Statement dazu:
Meine Sicht der Dinge zur gestrigen #srfarena (auch drüben bei FB https://t.co/aXFRwuu3kO) 👇🏻 @SRF pic.twitter.com/VjZWJtwyeM
— Sandro Brotz (@SandroBrotz) June 13, 2020