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Der Telebasel News Beitrag vom 13. Juni 2020.
Basel

Antifa im Visier: «Trump lenkt die Debatte in eine andere Richtung»

Beim Antifaschismus gehe es nicht nur um militante Strassenkämpfer, sondern auch um eine demokratische Grundhaltung. So Oliver Nachtwey von der Uni Basel.

US-Präsident Donald Trump will sie als terroristische Organisation einstufen. SVP-Nationalrat Andreas Glarner forderte kürzlich ein Verbot. Die Rede ist von der Antifaschistischen Aktion, kurz Antifa. Deren Emblem mit roter und schwarzer Flagge taucht auch in Basel immer wieder auf. So kürzlich an den Black Lives Matter-Kundgebungen oder an Demos gegen Rechtsextreme.

Eher ein Label als eine Organisation

Donald Trumps Reaktion auf die George-Floyd-Proteste haben die Antifa wieder ins mediale Rampenlicht gerückt. «Trump gelingt es, die Debatte in eine ganz andere Richtung zu lenken», sagt Oliver Nachtwey, Professor für Sozialstrukturanalyse an der Uni Basel. Dies bewirke «dass wir weniger über den Rassismus, in der amerikanischen und europäischen Gesellschaft sprechen, sondern über eine Terrororganisation, die es so gar nicht gibt», erklärt der Ökonom und Soziologe.

Militante Praxis auf dem Radar

Antifa sei also keine Organisation. Unter dem Label gehe es mehrheitlich um Gruppierungen aus dem linksradikalen Spektrum, die zu Beginn der Achtzigerjahre in Erscheinung traten. «Das sind Gruppen, die vor allem dezentral organisiert sind, die eine besonders radikale Auslegung und mit einer militanten Praxis», erklärt Oliver Nachtwey.

Wie stark Antifa-Leute hinter gewaltsamen Aktionen stehen, ist nicht gänzlich bekannt. Im aktuellen Sicherheitsbericht des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) fällt das Wort Antifa nur einmal. Dort werden sie als Kategorie unter «Linksextremen» genannt. Auch Zahlen zu Straftaten führt der NDB mit dem Wort Linksextremismus. Zuschreibungen von Gewalttaten die spezifisch unter Antifa laufen, sind nicht publik, ebensowenig Zahlen zur Grösse dieser Szene. «Zu einzelnen Gruppierungen oder Organisationen sowie zu seiner operationellen Tätigkeit äussert sich der NDB nicht», schreibt die Sprecherin Isabelle Graber auf Anfrage von Telebasel.

Kritik an SVP-Glarners Verbotsforderung

Viel älter als die Bezeichnung Antifa ist der Antifaschismus schlechthin. Dessen Wurzeln liegen im Widerstand in Italien gegen den Faschismus wie auch in Deutschland gegen den Nationalsozialismus. Dabei handelte es sich zumeist um Bewegungen der Sozialdemokraten und Kommunisten. Wie Oliver Nachtwey betont, sei der Antifaschismus nach dem Zweiten Weltkrieg aber zu einer Grundhaltung geworden, die weit ins bürgerliche Lager hineinreicht, etwa bei Teilen der Christdemokraten.

«Deshalb halte ich es für eine Tragödie, wenn Politiker von der SVP so stark gegen die Antifa schiessen und damit versuchen eine Gesamtbewegung die nie wieder Faschismus will, zu delegitimieren». Man müsse keineswegs die Praxis der Antifa teilen, doch ihre Themen seien noch immer von Relevanz. Dabei verweist er etwa auf den Rechtsterrorismus in Deutschland wie etwa vor wenigen Monaten in Hanau.

Alter Antifaschismus und autonome Antifa

Wie Nachtwey betont, gebe es sowohl Kontinuitäten wie auch Unterschiede zwischen dem klassischen Antifaschismus und den heutigen Antifa-Gruppen. Etwa darin, dass sich beide rechtsextremen Aufmärschen entgegenstellen. Der alte Antifaschismus sei aber mehr in Gewerkschaften und Parteien verankert gewesen. Diese seien aus der Sicht vieler Antifa-Aktivisten zu milde. Sie agierten daher eher autonom. Wie auch die schwarze Flagge zeigt, die sich im Logo zur roten gesellte, sei auch der Anarchismus als Hintergrund stärker geworden.

Der gewalttätige vermummte Strassenkämpfer repräsentiere die Antifa aber nur teilweise. Die Bezeichnung beziehe sich auch auf ganz anderes. «Die Alltagspraxis sehr vieler Antifa besteht daran, Recherche anzustellen über Netzwerke der Rechtsextremen – es ist Büroarbeit», so Oliver Nachtwey.

Das ganze Interview mit Oliver Nachtwey. (Video: Telebasel)

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