Die als Zeugen aufgebotenen Polizeikräfte schilderten am Dienstag vor dem Strafgericht die Auseinandersetzungen nach dem Fussballspiel zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich als «völlig überraschend» und beängstigend. Auf dem Zeugenstuhl schilderten neben zwei Fahrern von Mannschaftswagen und eine auch als Privatklägerin auftretende Polizistin die zuständigen Einsatzleiter ihre Sicht der Dinge.
Die Fussballpartie war von den Verantwortlichen eigentlich nicht als Hochrisikospiel, sondern als Begegnung der Sicherheitskategorie «Middle risk plus» eingestuft worden. Als einigermassen risikoreich wurde der Umstand beurteilt, dass die Zürcher Fans das Stadion nach dem Spiel mit einem Extrazug weggeführt werden mussten, ohne dass es zur Konfrontation mit den Baslern kommt, wie der damals diensthabende Gesamteinsatzleiter aussagte.
Hilferuf der Transportpolizei
Aber genau dieses Risiko gab laut Zeugenaussagen schliesslich indirekt den Ausschlag zur Randale. Die Transportpolizei auf dem Bahndamm habe um Unterstützung angefragt, sagten der Gesamteinsatzleiter und der ihm untergebene Einsatzleiter Sicherheit vor dem Gericht. Die Transportpolizei habe befürchtet, dass Zürcher Fans ein Zugangstor durchbrechen und es auf der Eventplattform unmittelbar neben dem Stadion zur Konfrontation mit den dort anwesenden Baslern kommen könnte.
Als sich rund dreissig Polizisten des Ordnungsdienstes auf den Weg zum besagten Tor machten, wurden sie laut den Aussagen der Einsatzleiter und einer damals beteiligten Polizistin mit Beschimpfungen, Flaschen- sowie Petardenwürfen und zum Teil auch direkten tätlichen Angriffen von Basler Fans konfrontiert.
Der Telebasel News Beitrag vom 4. Februar 2020.
In dieser brutalen Form noch nie erlebt
Es kam zum Eklat: Einer Polizistin, die nun als Nebenklägerin auftritt, sei in den Rücken gesprungen worden, andere Polizisten hätten sich aus «Notwehr oder Notwehrhilfe» aus kürzerer Distanz mit dem Abschiessen von Gummischrot wehren müssen. Der Gesamteinsatzleiter gab sich überrascht, weil die Eskalation beim vermeintlichen Einsatz gegen Zürcher Fans von den Basler Fans ausgegangen sei. In dieser brutalen Form habe er das noch nie erlebt, sagte er.
Ähnlich klang es bei den Aussagen eines Fahrers und einer Fahrerin der Einsatzwagen, die den Ordnungsdienst bei Treppenaufgang zur Eventplattform in Position gebracht hatten. Es seien Gegenstände gegen die Fahrzeuge geworfen worden, eine aufgebrachte Menge habe an ihnen heftig gerüttelt, sagte sie aus. Es sei ein beklemmendes Gefühl gewesen, sagte der Fahrer, er habe gedacht, jetzt gehe es ihm an den Kragen.
Wieso über die Haupttreppe?
Mehrere der 16 aufgebotenen Strafverteidiger nahmen vor allem die beiden Einsatzleiter ins Kreuzverhör. Wiederholt fragten sie, warum ein Teil des Ordnungsdienst-Polizisten in Kampfmontur ausgerechnet die breite Haupttreppe zur Plattform aufgestiegen seien. Auf dieser hätten sich Basler Fans befunden, die das Stadion nach dem Spiel verlassen hatten. Von Fans war im Vorfeld vorgebracht worden, dass sie diesen Polizeiauftritt als Provokation empfunden hätten.
Die Einsatzleiter konnten diese Frage nicht abschliessend beantworten. Welchen Weg die Einsatzkräfte des Ordnungsdienstes einschlagen würden, sei letztlich eine situative Entscheidung des jeweiligen Zugchefs, sagte sie.
Die Treppe und die Eventplattform sei zudem auch nicht Ziel, sondern nur Durchgangsweg zum anvisierten Ort des Einsatzes gewesen. Man sei sich bewusst, dass die Eventplattform als Begegnungszone der Fans eine besondere Bedeutung habe, aber es könne doch keine No-go-Zonen für die Polizei geben, sagte der Einsatzleiter Sicherheit.
Nicht die Polizei, sondern die Randalierer sind angeklagt
Die Verteidiger sahen schliesslich ihre vielen Nachfragen nach Details des Einsatzes nicht befriedigend beantwortet. Sie beantragten deshalb Einsichtnahme in den schriftlichen Einsatzbefehl und das Protokoll. Überdies forderten sie, den örtlichen Einsatzleiter, den Zugchef und den Einsatzleiter der Transportpolizei als weitere Zeugen einvernehmen zu können.
Die Gerichtspräsidentin lehnte diese Anträge aber ab. Das zur Verfügung stehende Material reiche im Moment für die Beweisaufnahme aus, begründete sie ihren Entscheid. Sie folgte damit dem Antrag des Staatsanwalts, der die Verteidiger zuvor darauf aufmerksam gemacht hatte, dass nicht die Polizei, sondern die mutmasslichen Randalierer unter Anklage stünden. Der Prozess ist auf neun Tage angesetzt.