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Basel

«Von allen Seiten kam Gummischrot geflogen»

Am Montag begann der Prozess gegen 16 FCB-Ultras. Sie sollen an den wüsten Krawallen im April 2016 auf der Joggeli-Eventplattform beteiligt gewesen sein.
Der Telebasel News Beitrag vom 3. Februar 2020
Noch zwei Videos

Bereits läuft die Visionierung der beiden letzten Videos. Auch da ist es als Laie schwierig, sich zu orientieren und Personen zu erkennen. Im Hintergrund läuft praktisch ununterbrochen der Polizei-Funk.

Die Bilder ähneln sich. Die Zahl der Kameras, die brauchbares Material lieferten, scheint beschränkt gewesen zu sein.

Auch der letzte Angeklagte ist in einer Sequenz vor dem Spiel zu erkennen. Auch er wird mit einem roten Pfeil auf der Eventplattform markiert, wo er vermummt unterwegs war. Nach ein paar Minuten ist auch die letzte Visionierung vorbei.

Damit wird der heutige Prozesstag abgeschlossen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Video-Zusammenschnitte

Zu den übrig gebliebenen Angeklagten werden jetzt Video-Zusammenschnitte gezeigt, die als Beweismaterial dienen. Zu sehen sind die Angeklagten teilweise vor dem Spiel, während des Spiels, aber auch inmitten der Gewalt-Eskalation auf der Eventplattform. Sie sind jedoch zumeist vermummt – und darum nicht ohne weiteres erkennbar.

Als Orientierungshilfe werden darum rote Pfeile eingeblendet.Die Angeklagten schauen stoisch zur Video-Leinwand. Emotionen sind keine erkennbar.

"Dazu möchte ich nichts sagen"

Vergehen gegen das Bundesgesetz über explosionsgefährliche Stoffe – die meisten der acht Angeklagten sind deswegen angeklagt. Bei ihnen wurden Pyro-Fackeln sichergestellt. Auskunft erteilen wollen sie nicht.

Weitere Straftatbestände sind unter anderem: «Mehrfache verbotene Gewaltdarstellungen», «mehrfache Pornografie», «einfache Körperverletzung». Auch darüber wird nicht geredet.

Zur Debatte steht auch ein Vorfall am Bahnhof Muttenz, wo es zu einer Konfrontation mit GC-Fans kam. Aber dreimal dürfen Sie raten: Auch dazu gibt es keine Auskünfte.

Erste Angeklagte verlassen den Saal

Jetzt lichten sich die Reihen ein wenig – die Gerichtspräsidentin lässt es einzelnen Angeklagten frei, den Saal zu verlassen. Lenzinger will nachher Videosequenzen zeigen, die nicht alle 16 Angeklagte betreffen.

Vorher aber werden die acht übrig geblieben zu Delikten befragt, die nichts mit dem Fall vom 10. April 2016 zu tun haben.

Ein erster Angeklagter soll bei Auseinandersetzungen gegen Schalke-Fans an vorderster Front mitgewirkt haben. Er macht keine Aussagen dazu.

Ein zweiter schweigt zu Pyro-Material, das anlässlich einer Hausdurchsuchung gefunden wurde. «Dazu möchte ich mich nicht äussern», sagt er nur.

Bodycam-Aufnahmen

Die nächsten Bilder stammen von einer Bodycam. Sie dokumentieren, wie Flaschen geworfen  und einzelne Personen am Boden fixiert werden. Der Staatsanwalt betont, dass alle Beteiligten jederzeit die Eventplattform hätten in Richtung St. Jakob-Strasse verlassen können. Das Bildmaterial ist teils sehr verwackelt.

Einzelne Verteidiger verlangen, dass noch weitere Videos gezeigt werden – um ein kompletteres Bild zu bekommen. So auch die Sequenzen, die bei der Ausfahrt zur Parkgarage St. Jakob gefilmt wurden. Die Bilder sind aber nicht sofort abrufbar.

Nach ein paar Versuchen klappt es dann. «Das kam bis heute nicht zur Sprache», sagt ein Verteidiger. Plötzlich kommt ein Polizeizug ins Bild. Welcher Zug das genau ist, was seine Aufgabe war – das bleibt an dieser Stelle unbeantwortet. «Das können Sie ja morgen die Polizisten fragen, die als Zeugen geladen sind», so der Staatsanwalt.

Zweite Aufnahme

Jetzt wird eine zweite Aufnahme gezeigt – inklusive Ton. Alles geht sehr schnell – die Kamera schwenkt hin und her – Sirenen sind zu hören. Das Zünden von Pyros und der Gummischrot-Einsatz sind auch sehr gut wahrnehmbar – ebenso das Geschrei der involvierten Personen.

Zu sehen sind in dieser Aufnahme auch die Beschädigungen an den Polizeifahrzeugen.

Die Polizei kommt ins Bild

Im Video ist zu sehen, wie die Polizei sich nähert, während die Fans in der Mitte der Event-Plattform zusammenstehen – es laut dem Staatsanwalt zur «Zusammenrottung» kommt. Plötzlich rennen die Fans davon, Gummischrot wird eingesetzt, Pyro-Fackeln und Gegenstände fliegen. Ein Fan stellt sich vor die Polizisten und versucht zu vermitteln. Die Personen formieren sich wieder. Niemand verlässt die Eventplattform – die Fans bleiben und besprechen sich.

Schwenk zur St. Jakobsstrasse, wohin sich das ganze nun verlagert. Autos werden gehindert wegzufahren – es kommt erneut zu einem Gummischrot-Einsatz.

Schlechter Blickwinkel

Nicht alle Verteidiger haben freie Sicht auf die Leinwand, die in der Mitte des Saals aufgehängt ist. Jetzt, wo alle installiert sind, beginnt der Film zu laufen – der Staatsanwalt kommentiert. Er sagt, dass die Beteiligten die Möglichkeit gehabt hätten, das Stadion frei zu verlassen. Die Bilder die gezeigt werden entstanden rund 10 Minuten nach Abpfiff und zeigen die Fans beim Verlassen des Stadions.

«Es ist ein geordneter Abgang», so Staatsanwalt Kindler. Alle Personen im Saal schauen gespannt zur Leinwand.

Visionierung der Videos

Nach ein paar organisatorischen Fragen wird nun der Prozess fortgeführt. Im Zentrum steht die Visionierung der Videos vom 10. April 2016. Lenzinger erklärt, dass einzelne Sequenzen gezeigt werden, welche die Angeklagten direkt betreffen.

"Man sieht es ja auf dem Video"

«Das ist so, man sieht es ja auf dem Video», sagt der nächste Angeklagte. Es geht unter anderem um Gegenstände, die geworfen wurden. Aber auch er will keine Beamten verletzt oder beleidigt haben.

Der nächste Angeklagte sagt, dass er nicht im Mob war. Auch er will keine Beamten beleidigt haben. Er will auch niemand angerempelt oder gestoßen haben.

Der nächste Angeklagte gab eine Sachbeschädigung zu – mehr aber auch nicht. Und der letzte der Befragten will sich gar nicht mehr zu den Anschuldigungen äussern. «Keine Aussage» ist sein Kommentar. Damit beendet das Gericht den ersten Teil des Prozesses. Um 14 Uhr wird die Verhandlung fortgesetzt.

"Ich war neugierig"

«Ich war neugierig – und deshalb nicht davon gerannt», sagt der Nächste, der eine Sturmhaube montiert hatte. Er habe sich aber im Hintergrund aufgehalten.

Alle bisher befragten schildern eine andere Version, als die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift. Einer betont, dass keine Eskalation gesucht wurde und die Stimmung nicht aufgeheizt war. «Aber auf einmal standen die Polizisten auf der Eventplattform», sagt er. Als wir erfuhren, dass ein unbeteiligter am Auge getroffen wurde, kippte die Stimmung.

Er vermummte sich als Schutz vor dem Tränengas. Einen Fustritt gegen einen Polizisten habe er nicht verübt. Er habe auch keine Sachbeschädigung begangen.

Vermummt mit Kapuze?

Der nächste Angeklagte soll bei der Phase 1 und Phase 2 mitgemischt haben. Er sei mit einer Kapuze vermummt gewesen. Er streitet dies ab – will nichts dazu sagen.

Der anderer Angeklagter bestreitet, vermummt gewesen zu sein. Er will keine Polizisten bedroht oder beschimpft haben. «Von allen Seiten kam Gummischrot geflogen» sagt er.

Auch ein anderer Angeklagter sagt, dass der Polizeieinsatz unverhältnismässig gewesen sei. «Es war wie an einem Schützenfest», beschreibt er die Szenerie.

Taten bestritten

«Ich habe weder Sachbeschädigungen begangen, noch Polizisten angegriffen», sagt der erste Angeklagte. Ein anderer Angeklagter sagt, er habe sich vermummt, weil die Polizei Tränengas einsetzte. Sie seien mit Gummischrot eingedeckt worden, als sie aus dem Stadion kamen.
Keiner will Polizeiautos beschädigt haben. Zum Teil verweigern sie auch Aussagen oder verweisen auf ihre Aussagen aus den Einvernahmen.

Zu den Taten

Der erste Angeklagte bestreitet, Polizeiautos beschädigt und Polizisten bedroht zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat die Taten in der Anklageschrift in drei Phasen eingeteilt. In den ersten beiden Phasen kam es zur Zusammenrottung auf der Fanplattform und einer eigentlichen Schlacht gegen die Polizei. In der dritten Phase wurden Polizeiautos demoliert.

Pause

Die Gerichtspräsidentin unterbricht die Verhandlung. Um 10.30 Uhr geht es weiter.

Angeklagter 16

Aufgrund der U-Haft bestand der 23-Jährige die schriftliche Lehrabschlussprüfung nicht – er konnte die Lehre als Sport-Artikel-Verkäufer aber ein Jahr später abschliessen. Danach sei er längere Zeit arbeitslos gewesen, mittlerweile habe er eine feste Anstellung. Seine Hobbys sind Joggen und Tischtennis. Ueber seinen Kontakt zur Fanszene will er keine Angaben machen. Er ist mehrfach vorbestraft.

Angeklagte 13/14/15

Der 28-Jährige ist arbeitslos. Er ist gelernter Landwirt und ziemlich wortkarg. Viel über ihn und seine persönlichen Verhältnisse sind nicht zu erfahren.

Der Angeklagte 14 ist 25-Jährig. Er ist Vater einer Tochter. Der Deutsche hat keine Vorstrafen.

Der Angeklagte 15 arbeitet als Heizungs-Installateur. Sein Hobby ist Handball.  Der 29-Jährige hat keinen Kontakt mehr zur Fanszene.

Angeklagter 12

«Mein Leben dreht sich um Gastronomie, Hotellerie und Kochen», sagt der 27-Jährige. Er ging zwischenzeitlich nach Mexiko, arbeitete eine zeitlang im Trois Rois und arbeitete danach mehrere Jahre in Hamburg. Dort habe er 24/7 gearbeitet und schlitterte in ein Burnout. Mittlerweile habe er sich einigermassen erholt und arbeite wieder. Wegen seines Berufs sei es ihm auch nicht möglich, an FCB-Spiele zu gehen, sagt der Deutsche.

Angeklagte 10 und 11

Der gelernte Forstwart arbeitet weiterhin auf dem Beruf. Der 29-Jährige stammt aus dem Kanton Aargau. Er sei Fussball-Fan. Wegen des Stadionverbots habe er seine Freunde in Basel mehrere Jahre nicht mehr gesehen. Die Gerichtspräsidentin fordert ihn auf, eine Vorstrafe aus Deutschland zu erklären. Er klärt auf, dass er mit dem Sturmgewehr im Kofferraum in Waldshut erwischt wurde. Am Tag zuvor habe er das Obligatorische geschossen und vergessen, die Waffe aus dem Kofferraum zu nehmen.

Der Angeklagte 11 ist 24-Jährig. Auch er stammt aus dem Kanton Aargau.

Angeklagter 9

Der Angeklagte arbeitet seit mehreren Jahren im selben Betrieb als Landschaftsgärtner. Er lobt seinen loyalen Arbeitgeber, der trotz Untersuchungshaft an ihm festgehalten habe. Er gehe immer mal wieder gerne ins Stadion, um eine Wurst zu essen. Als Hobbys nennt er Joggen und Crossfit. Vorstrafen gehen auf das Jahr 2009 zurück – unter anderem wegen Brandstiftung.

Angeklagter 8

Der Angeklagte Nummer 8 ist 23-jährig. Er leistete Zivildienst in einem Pflegeheim – als Hobbys nennt er Fitness und Fussball. Er besucht zwar noch Spiele des FCB – hat sich aber von der Fanszene distanziert. 2018 wurde er in Lörrach mit einer Kleinstmenge Cannabis erwischt.

Angeklagter 7

Der Geschichtsstudent steht kurz vor dem Abschluss des Bachelors – und will auch gleich den Master anhängen. Er arbeitet nebenbei als Service-Angestellter. Der 28-Jährige ist ebenfalls vorbestraft – zum einen wegen Landfriedensbruchs und wegen eines Vergehens gegen das Bundesgesetzes über explosionsgefährliche Stoffe. Auf den Punkt gebracht: Er hatte in St. Gallen eine Pyro-Fackel gezündet.

Angeklagter 6

Der 32-Jährige aus Reinach arbeitet in der Personal-Vermittlungs-Branche. Er hat eine Kaufmännische Ausbildung. Er ist ledig und kinderlos. «Es sei ruhig geworden» sagt er auf die Frage, wie es um den Kontakt zur Fanszene stehe. Auch er ist vorbestraft wegen Hinderung einer Amtshandlung und wegen eines Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Angeklagter 5

Der fünfte Angeklagte ist seit Dezember arbeitslos – er habe seine Stelle in einem Tankstellenshop gekündigt, weil die sozialen Kontakte litten. Die Arbeitszeiten seien sehr ungünstig gewesen, sagt der 32-jährige Basler. Er sei seit vier Jahren in festen Händen. Als Hobbys nennt er Hund und Garten. Er ist vorbestraft wegen Hausfriedensbruch und Landfriedensbruch.

Angeklagter 4

Der vierte Angeklagte macht eine Weiterbildung zum technischen Kaufmann – und hat sich in diesem Jahr verlobt. Auch er ist in einer festen Anstellung. Er sei immer noch Teil der Fanszene, habe dort immer noch Freunde. Nach dem Absitzen des Stadionverbots ging er wieder regelmässig ins Joggeli.

Angeklagter 3

Der dritte Angeklagte arbeitet seit neun Jahren in derselben Firma als Logistiker. Der 33-Jährige ist verheiratet und Vater eins 6-jährigen Bubs. Er sei seit dem Vorfall nur noch einmal ins Joggeli gegangen –  mit seinem Sohn, weil er ihm dies versprochen hatte.  Auch er hatte ein dreijähriges Stadionverbot aufgebrummt bekommen.

Angeklagter 2

Nun ist die Reihe bereits am zweiten Angeklagten. Er wird vertreten durch die bekannte  «Fan-Anwältin» Manuela Schiller. Er ist 32-jährig und stammt aus Allschwil. Der Mann ist vorbestraft – er soll bei Ausschreitungen auf Bayern-Fans im Jahre 2014 beteiligt gewesen sein. Lenzinger zitiert aus dem Strafbefehl.

Angeklagter 1

Die Personenbefragung beginnt. Der Angeklagte 1 ist seit dem Vorfall im April 2016 im Vater geworden – und hat geheiratet. Beruflich sei er gefestigt. Er gehe praktisch nicht mehr ins Stadion – er bekam ein dreijähriges Stadionverbot aufgebrummt – die Zeit fehle.

Beweisanträge und Vorfragen

Bevor es um die Sache geht, können Verteidiger noch Beweisanträge und Vorfragen stellen. Gerichtspräsidentin Felicitas Lenzinger gibt 16 Verteidigern das Wort.

Noch einmal zur Erinnerung:

Die Anklage lautet auf Landfriedensbruch, Sachbeschädigung sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Einzelnen Personen werden zudem Widerhandlungen gegen das Waffengesetz, das Betäubungsmittelgesetz und das Vermummungsverbot zur Last gelegt.

Bei den Angeklagten handelt es sich um vierzehn Schweizer, einen Deutschen und einen Spanier. Sie sind teilweise bereits vorbestraft und mittlerweile zwischen 23 und 37 Jahre alt.

Voller Gerichtssaal

Mit etwas Verspätung werden die Angeklagten in den Gerichtssaal gerufen. Dieser ist zum Bersten voll – alle Sitzplätze sind besetzt. Auch das Medieninteresse ist gross. Zu Beginn werden die Personalien der Angeklagten geprüft.

Die Angeklagten treffen beim Strafgericht ein

Einige der insgesamt 16 Angeklagten betreten am Montagmorgen um 8 Uhr das Basler Strafgericht. Der Prozess beginnt um 8:15 Uhr und wird mehrere Tage dauern.

Um das geht es im Prozess

16 Ultras aus der Fanszene des FC Basel müssen sich ab Montagmorgen vor dem Basler Strafgericht verantworten. Sie sind angeklagt, an den wüsten Krawallen beteiligt gewesen zu sein, die sich im April 2016 auf der Plattform hinter der Muttenzerkurve ereignet haben. Zahlreiche Chaoten lieferten sich dort eine regelrechte Schlacht mit der Polizei.

(Video: zVg)

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