Die Fasnacht, ein Leuchtturm der Meinungsfreiheit. An der Fasnacht stehen die Machtverhältnisse für einmal Kopf: Die Unterjochten witzeln, spässeln und gifteln in Richtung der Mächtigen. Wer sonst das ganze Jahr aufs Maul hocken musste, der darf wenigstens an diesen drei Tagen einmal sagen, was er denkt. Und zwar nicht ängstlich, sondern frei von der Leber. So jedenfalls war es lange Zeit angedacht.

Narrenfreiheit immer mehr unter Druck
Dieser dreitägige, gemeinhin als Narrenfreiheit bezeichnete Toleranz-Peak kommt jedoch immer mehr unter Druck. Was im Alltag bereits gang und gäbe ist, hat längst auch die Fasnacht erreicht: Die Gesellschaft verfolgt mit Argusaugen jedes Detail im verwinkeltesten Winkel der Stadt – jede noch so kleine Verfehlung wird mit einem hysterischen Shitstorm an den Pranger gestellt.
Für Medien natürlich ein gefundenes Fressen und schon bald diskutiert die ganze Stadt, ja manchmal gar das ganze Land über eine Basler Mücke, als wäre sie ein Elefant. Die aktuelle Rassismus-Debatte rund um die Guggenmusik Negro-Rhygass führt uns diesen Mechanismus mustergültig vor Augen.

Welchen Einfluss haben diese Debatten auf die ‹drey scheenschte Dääg›?
Umso spannender wird es sein zu beobachten, wie die Fasnächtler selbst mit dem gesellschaftlichen Prüfblick umgehen werden. «Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere Bänggler in diesem Jahr vorsichtiger sein wird», sagt etwa der BSG-Bangg ‹Giftspritzi› gegenüber Telebasel. Es könne durchaus sein, dass ein Bangg eine heikle Pointe mal lieber sein lässt, anstatt Gefahr zu laufen, in eine Rassismus-Debatte verstrickt zu werden. Ähnlich klingt es von Seiten Laternenmaler. Daniel Burri vom ‹Atelier zem Basilisk› habe sich auch schon Gedanken gemacht: «Was kann ich noch malen? Was darf noch auf die Laterne? Wo wird es gefährlich?». Ihm sei jedoch wichtig, dass die Laternenkünstler im Gedanken frei bleiben. «Ich fände es schade, wenn man jetzt aus Angst zahmer wird», sagt Burri.

Gedanken-Polizei auf dem Vormarsch
Es scheint klar: Die aktuelle Debatte hat nicht nur Auswirkungen auf die betroffene Guggenmusik, sondern auf die ganze Fasnachtsszene. Wo Freiheit war, schleicht sich fast unbemerkt eine Art Gedanken-Polizei ein. Sie setzt da mal eine Grenze, dann dort wieder eine. Deshalb sei es wichtig, dass man als Fasnächtler trotzdem mutig bleibe, sagt Daniel Burri. Auch die ‹Giftspritzi› will sich nicht unterkriegen lassen: «Ich werde weiterhin über alle Rassen Verse dichten. Aber natürlich immer so, dass ich niemanden verletze». Ganz nach dem Motto: Immer hart an der Grenze, aber nie darüber.
Mehr über die Rassismus-Debatte zur Negro Rhygass und deren Auswirkungen auf die ‹drey scheenschte Dääg› sehen Sie im Report vom 22. August 2018.